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Zeittöne Sommer 2021 - Stiftung Liebenau

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Zuversicht Herr Sittler,

Zuversicht Herr Sittler, über einem Jahr lebten wir nun alle unter den Bedingungen der Pandemie. Für Kunst und Kultur eine harte Zeit. Wie geht es Ihnen? Mir persönlich geht es gut. Ich bin gesund, meine Frau auch. Wir leben einerseits recht zurückgezogen, arbeiten aber an unseren Projekten und engagieren uns, soweit das möglich ist für andere, denen es leider überhaupt nicht gut geht, weil sie keine Möglichkeit haben, ihren Beruf auszuüben und in große finanzielle Nöte geraten sind. Vor der Krise gab es 1,8 Millionen Kulturschaffende in Deutschland. Ich hoffe sehr, dass all diese Menschen wieder in ihre Berufe zurückkehren und damit auch ihren Lebensunterhalt verdienen können. Wenn wir hier nicht aufpassen, verlieren wir große Teile der tragenden Säule unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts. Das besorgt uns wirklich sehr. Ein Gutes hat die Pandemie ja: Viele Filme werden im Fernsehen wiederholt. So auch die Tragikkomödie »Alleine war gestern« von 2014. Hier spielen sie einen pensionierten Arzt, der mit anderen älteren Frauen und Männern eine Wohngemeinschaft gründet, um gemeinsam alt zu werden und füreinander da zu sein. Sie selbst sind 68 Jahre alt … … (lacht) ja, ich bin offiziell Rentner. Aber in meinem Beruf hört man ja nicht einfach auf mit 67. Wir beide lieben unsere Arbeit. Wir lieben die Freiheit, sie zu tun und dafür alles zu geben. Aber nun zu diesem Film: Im Kern stellt die Geschichte, die der Film erzählt elementare Fragen: Wie wollen wir leben? Vor allem: Wie wollen wir im Alter leben? Wie viel Verantwortung können und wollen wir füreinander übernehmen, wenn, wie in dieser Geschichte, ein Mitglied der Wohngemeinschaft von einer Minute zur anderen zum Pflegefall wird? Ich finde ja sehr: Verantwortung übernehmen ist was ganz Tolles! Da steckt auch der Wille drin, in Bewegung, wach für andere zu bleiben und auch ein gehöriges Maß, sich selbst als Individuum nicht so wichtig zu nehmen. Das zeigt dieser Film: Das Ringen um Verantwortung, wenn es anstrengend wird, das Scheitern und Zurückkehren und auch die Liebe, die im Alter ja nicht weniger wird und aufregend bleibt. Es ist an der Zeit, dass wir uns als Gesellschaft wieder mehr generationsübergreifend einander zuwenden. Ich will das am Beispiel meiner Mutter deutlich machen: Sie hat sich immer für andere aufgeopfert und gern gelebt. Ich bin das jüngste ihrer acht Kinder und als sie älter wurde, entschieden wir gemeinsam, dass sie in unserer Nähe leben sollte, weil wir, meine Frau und unsere drei Kinder die größte Sesshaftigkeit bewiesen hatten. Sie war sehr selbstständig, rauchte wie ein Schlot, fuhr gern und sehr schnell Auto. Irgendwann mit weit über 80 wurde sie zu einem Pflegefall. Für meine Geschwister und mich war klar: Damit lassen wir sie nicht alleine. Sie konnte zuhause bleiben, wir haben alles um sie herum organisiert und an jedem Wochenende war eine oder einer von uns für sie da. Dafür mussten meine Geschwister teils von weit anreisen. Wir wollten das so. Für uns war das selbstverständlich. Genauso selbstverständlich gehen wir nun in unsere eigene Phase des Altwerdens. Wir sind aber eine andere Generation. Wir haben andere Bedürfnisse, andere Voraussetzungen. Wollen Sie damit sagen: Die neuen Alten sind anders? Nicht unbedingt. Aber wir sind bald sehr, sehr viele. Ich denke, wir stehen hier vor einem gesellschaftlichen Umbruch. Lebensstile, Lebens haltungen sind viel diverser als noch in der Generation vor uns. Meine Frau und ich haben nach dem Auszug unserer Kinder das Haus aufgegeben und sind an den Rand der Innenstadt von Stuttgart gezogen, weil das Leben dort bequemer ist. Wir haben die Idee hier alt zu werden, weil wir hier zuhause sind. Und wir wünschen uns, dass Altenhilfe künftig anders gedacht wird. Also nicht immer mehr Ressorts ab vom Schuss bauen, sondern gerade in den vielen großen und kleinen Städten mehr möglich machen. Ich denke, das könnte offener, gemeinschaftlicher organisiert werden in den Stadtteilen … 12 zeittöne Zuversicht zeittöne Zuversicht 13

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