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Zeittöne Herbst/Winter 2019/2020 - Stiftung Liebenau

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Besonnenheit Impuls

Besonnenheit Impuls Prälat Michael H.F. Brock ist Vorstand der Stiftung Liebenau Wenn einem der Kragen platzt ist das ja oft auch ein Zeichen, dass man Abstand braucht und Zeit für sich. Haben Sie überhaupt noch freie Zeit? Auch ein Ministerpräsident ist nur ein Mensch und kein Roboter, erst recht nicht der König von Württemberg. Auch ich benötige Auszeiten wie jeder andere Mensch auch. Aber ich kann nur schlecht abschalten: Ich suche immer nach den Antworten auf ungelöste politische Fragen. Wir werden in Zukunft beim Klimaschutz um die notwendigen Maßnahmen wie Ver- und Gebote nicht rumkommen, um die Erderwärmung zu bremsen. Ich sehe auch, dass wir für unsere Demokratie kämpfen müssen, für die offene Gesellschaft, den Zusammenhalt. Für all das müssen wir realistische Wege aufzeigen und Zuversicht schaffen. Also, auch wenn ich Urlaub habe, beschäftigt mich das täglich. Trotzdem habe ich ein Privatleben. Und auch wenn ich die Generation repräsentiere in der einst galt: Das Private ist politisch, bleibt’s dabei: Ich verrate Ihnen nur, dass intensives Studium klassischer Literatur und Philospophie, meine Familie, die Enkel, die Natur und meine Werkstatt Kraftquellen sind, ohne die ich meinen Job nicht machen könnte. Interview: Heike Schiller Kurz und knapp Winfried Kretschmann ist seit 2011 Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg und der erste grüne Minister präsident in Deutschland. Geboren wurde er am 17. Mai 1948 in Spaichingen als Kind von Flüchtlingen, die aus Ostpreußen kamen. Nach Abitur und Grundwehrdienst studierte er Biologie und Chemie und unterrichtete nach dem Staatsexamen 1977 als Lehrer in Stuttgart, Esslingen, Mengen und Bad Schussenried. Seit 1975 ist er mit seiner Frau Gerlinde verheiratet. Gemeinsam haben sie drei Kinder und inzwischen auch zwei Enkel. Seit Studententagen ist Winfried Kretschmann politisch aktiv und Mitbegründer der Grünen. Er gehörte der ersten Grünen Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg an, anschließend war er im ersten grüngeführten Umweltministerium unter Joschka Fischer zwei Jahre als Grundsatzreferent tätig, bevor es ihn wieder in die Landespolitik zog. Seit 1988 ist er Mitglied des Landtags von Baden-Württemberg, führte ab 2002 die Fraktion und ist seit 2011 Ministerpräsident. Heute schon gelacht? Es gibt viele Unterschiede zwischen Kindern und Erwachsenen. Erwachsene sind selbstständig, oder können es zumindest sein. Kinder sind angewiesen auf Menschen, die es gut mit ihnen meinen. Erwachsene auch, erwiderst du. Stimmt. Aber viele kommen auch ohne Angewiesenheit aus. Leider. Manche meinen, das mache das Erwachsensein aus. Natürlich ein Irrtum, aber manche meinen es. Kinder können nicht sprechen, nicht, wenn sie auf die Welt kommen. Eine große Herausforderung für uns Erwachsene. Welche Worte werden wir ihnen beibringen? Und in welchem Tonfall werden wir mit ihnen sprechen, den Kindern. Hoffentlich glauben sie uns nicht jedes Wort. Hoffentlich finden sie ihre eigene Sprache, eine liebevolle, verantwortungsvolle zärtliche Sprache. Unsere Kinder werden verhungern, wenn wir Erwachsenen ihnen nichts zu essen geben. Das ist keine Binsenweisheit, das ist bittere Realität jeden Tag. Jeden Tag sterben Kinder des Hungers wegen, und der dummen Worte wegen, mit denen wir uns dafür rechtfertigen, dass es uns bis heute nicht gelungen ist, Menschen wenigstens satt zu bekommen. Es gibt keine Entschuldigung dafür, aber so ist die Welt der Erwachsenen. Wir finden immer wieder Ausflüchte dafür, dass wir es nicht hinbekommen. Ich sage dazu: nicht hinbekommen wollen. Kinder können sich auch nicht selbst beschützen. Nur zu dumm, dass die meisten Erwachsenen das auch nicht können oder wollen: Menschen beschützen. Vielen genügt der Selbstschutz. Nur geht der meist auf Kosten anderer. So, jetzt ist Schluss mit trüben Gedanken. Kinder lachen. Erwachsene lachen auch. Kinder ungefähr 100 Mal am Tag. Erwachsene bringen es gerade einmal auf 10 Mal. Merken sie was? Je älter wir werden, desto mehr vergeht uns das Lachen. Weil ich es aber wieder haben will, das Lachen, forsche ich nach. Kinder lachen spontan, sie lachen weil sie lachen wollen. Kinder wollen glücklich sein, instinktiv. Das soll jetzt nicht heißen, dass Erwachsene nicht glücklich sein wollen. Aber augenscheinlich stellen sie sich weit ungeschickter dabei an. Lachen öffnet, befreit, ist spontan, macht aber auch angreifbar. Und genau das scheint mir ein wesentlicher Punkt. Erwachsene lassen sich nicht gern in die Karten schauen, oder ins Herz, schon gar nicht in ihre Gedanken. Da sind Kinder freigiebiger: Sie lachen spontan, herzlich, unverkrampft. Irgendwie immer mit dem Vertrauen, dass ihre Offenheit nicht benutzt wird, oder ausgenutzt. Lachen ist eine Frage des Vertrauens. Kaum ein Kind, das die Mundwinkel nach unten hängen lässt. Bei meinen ist es noch nicht entschieden, der rechte hängt ein wenig tiefer als der linke. Kein Wunder, die linke Seite ist ja auch die Herzseite. Und Lachen kommt vom Herzen. Ich gebe es noch nicht auf. An manchen Tagen komme ich schon auf über zwanzig Mal Lachen. Immerhin. Und wie steht es bei Ihnen? Werdet wie die Kinder, heißt es. Nun denn: ein paar Mal mehr Vertrauen, einige Worte der Zuneigung, und das jeden Tag. Das wäre was. Wir würden das Lachen wieder lernen und das Vertrauen. Michael H. F. Brock 14 zeittöne Besonnenheit zeittöne Impuls 15

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