6 2 | 2024SCHWERPUNKT: ALTEREin erfüllter Alltag im Rentenalter„Wer rastet, der rostet“, sagtUrsula Rüstig, Leiterin des Seniorenbereichesin der Behindertenhilfeder Zieglerschen.Im Alter körperlich und geistigin Bewegung zu bleiben, istwichtig.Damit das so bleibt, bietet derSeniorenbereich der Zieglerschentagsüber ein umfassendesAngebot für 70 Menschen,die in Rente sind. „Sie ist dieMutter Theresa im Seniorenbereich“,sagt eine Seniorin überUrsula Rüstig während sie imSessel sitzt und strickt. Mit vielLeidenschaft entstehen unterihren geschickten Händen Topflappen,Spültücher und Sitzunterlagen.Dabei habe sie sichvorher nicht vorstellen können,überhaupt eine Stricknadel indie Hand zu nehmen, erzählt dieFrau. Das ist eine der Aufgabenfür Ursula Rüstig und ihre 21Mitarbeitenden: eine sinnvolleUrsula Rüstig gestaltet als Leiterin des Seniorenbereiches in der Behindertenhilfeder Zieglerschen den Alltag mit 70 Rentnerinnen und Rentnern.und erfüllende Tätigkeit für ihreKlientinnen und Klienten zu findenund auch zu fördern. VieleProdukte, die entstehen, werdenim Laden Kunterbunt zum Verkaufangeboten. Neben der individuellenFreizeitgestaltungbietet der Seniorenbereich zahlreicheGemeinschaftsangebotewie Musik-, Sing- und Kaffeenachmittage,Ausflüge, Bastelnund Sport, Feste, Spaziergängeund auch Andachten. „Der Glaubeist bei unseren Betreuten eingroßes Thema“, erklärt UrsulaRüstig, die ihren Beruf mit vielLeidenschaft angeht.„Unsere Senioren sind geradeherausund herzlich. Es gibtnichts Erfüllenderes, als sie biszu ihrem Lebensende zu begleiten.“Dabei habe sie damalsnach der Schule nicht gewusst,was sie einmal beruflich machenwollte. Erst der Besuch beieiner Freundin, die damals eineAusbildung zur Heilerziehungspflegerinmachte, habe ihr klargemacht: „Das will ich auch. Esist der schönste Beruf überhaupt.“Man erfahre unfassbareLiebe und Zuneigung: „Und wirhaben viel Spaß miteinanderund lachen viel.“ Im kommendenJahr geht die 61-Jährigeselbst in Rente. „Da mache ichmir meine eigene Tagesstruktur“,sagt sie mit einem Augenzwinkern.Text/Foto: Lydia SchäferSCHWERPUNKT: ALTERTeilhabe in der Kirchengemeinde für ältere MenschenIn der katholischen KirchengemeindeSt. Gallus in Tettnanggibt es eine Vielzahl an Angebotenfür Kinder, Jugendliche,Familien, Alleinlebende undältere Menschen. Alle Angebotesind für Menschen offen, diesich dafür interessieren, diemitmachen möchten und dieauf der Suche nach Impulsenund Begleitung im Leben sind.Die Gemeinde lebt von der Vielfaltder Menschen und den einzelnenCharismen. So kann jederso kommen, wie er ist, undsich so auch mit seinen Talenteneinbringen oder teilnehmen.Unsere Angebote veröffentlichenwir auf unserer Homepage,im Kirchenanzeiger, derzweiwöchig erscheint, und überdie Stadtnachrichten, die an alleHaushalte in Tettnang verteiltBei den unzähligen Aktivitäten sind auch gemeinsame Ruhepausen wichtig.werden. Wer kommen und teilnehmenmöchte, muss sich selberinformieren und auswählen,was ihn interessiert.Als pastorale Mitarbeiterin derKirchengemeinde St. Gallus inTettnang habe ich in denvergangenen Jahren bei regelmäßigenAngeboten, Projektenund unterschiedlichen Treffenältere Menschen mit Behinderungenkennengelernt, die in ihrerRente nicht nur an Angebotenteilgenommen haben,sondern sich auch in Projektenengagieren. In ihrer ehrenamtlichenTätigkeit sind sie in dieTeams integriert und wertvoll,so wie andere Ehrenamtlicheauch. Darum ist es schwierig,von Inklusion und Integration zusprechen, weil es voraussetzt,dass jemand nicht integriert istund es einer besonderen Anstrengungbedarf. So wie ältereMenschen mit Behinderungenan unseren Gottesdiensten teilnehmen,so kommen sie auchzu Gemeindefesten. Sie singenetwa im Kirchenchor, engagierensich im Projekt „Miteinanderessen“, nehmen am „Urlaubohne Koffer“ teil oder am jährlichenRollstuhlfahrer-Ausflug,zu dem mobilitätseingeschränkteMenschen eingeladen sind.Text/Foto: Maria Schuster
2 | 2024 7SCHWERPUNKT: ALTERSicherheit bis zuletztEs sind diese Tage, an denen wir unsverabschieden, die Tage, an denenwir wieder einen besonderen Menschenverloren haben. Achtungsvollund mit Respekt verabschieden wiralle, die wir gehen lassen müssen.Genau diese Haltung ist es, die vorallem für die älteren Bewohnerinnenund Bewohner so wichtig und wertvollist. Denn sie sehen und spüren,dass sie im Haus St. Raphael in Liebenaubis zu ihrem letzten Atemzugbleiben können. Das schafft Vertrauenund Sicherheit.An den meisten Tagen hallen fröhlicheStimmen, unterbrochen durch freudigesGelächter, durchs Haus. Denn Lebenist es, das hier jeden Tag stattfindet.Auch für die Menschen, diespüren, dass ihnen nicht mehr allzuviel Lebenszeit bleibt. Sie spüren undsehen es anhand besorgter Blicke,mehr wärmenden und streichelndenHänden und noch mehr liebevollerWorte. Umso wichtiger ist es, dasssich die Mitarbeitenden Zeit nehmenkönnen, für jeden einzelnen.Viele Menschen im Haus St. Raphaelsind alt. Alles braucht etwas mehrZeit. Ein entspannendes Bad zum Beispielmuss gut vorbereitet und begleitetwerden. Denn auch wenn sich diesesBad so wohltuend, warm undheilsam anfühlt, ist es doch auch sounglaublich erschöpfend und dieSehnsucht nach Ruhe und einem warmen,kuscheligen Bett ist groß.Alte Menschen mit Behinderungenbrauchen viel Verständnis derLange Gänge und Wege werden im Alterfür viele Menschen beschwerlicher.Pflegenden, denn alles, was ohnehinschon beschwerlich war, wiegt immerschwerer. Eine sowieso schon lebenslangeeingeschränkte Kommunikationsfähigkeitwird umso mühseliger,lassen doch auch die Sehkraft unddas Gehör zunehmend nach. Dazunoch diese Gedanken, waren sie dochmal so in Ordnung, und nun sind sieplötzlich ganz durcheinander.Unser neues Haus sei so schön geworden,dass hören wir immer wieder.Aber diese Wege, das denken sich bestimmtviele unserer Bewohnerinnenund Bewohner, warum sind dieseWege nur so weit? Der Weg vom eigenenZimmer in den Speisesaal ist beschwerlichund die vielen Mitbewohnerinnenund Mitbewohner, dieebenso zur Mahlzeit drängen, stelleneine wirkliche Herausforderung dar.Wo war denn jetzt wieder mein Platz?Früher habe ich den doch sofort gefunden,wird sich mancher denken.Tiefes Verständnis gefragtUmso wichtiger ist es, dass wir übereine gut ausgebildete Mitarbeiteranzahlverfügen, die genau diese hilfesuchendenBlicke sehen und verstehen,dass es eben nicht mehr soeinfach geht mit dem Gehen, dem Hörenund dem Sehen. Denn sie sind dafürda, den älter werdenden Menschenzu helfen, ihr Leben zu leben.So lange eben, bis der letzte Atemzugdas Haus wieder in Stille versetzt.Text/Foto: Anja Rundel,Einrichtungsleitung Haus St. RaphaelHaus St. RaphaelDas Haus St. Raphael verfügtüber 45 Plätze und wurde am9. April 2024 bezogen. Es ist vollbelegt.Die Menschen, die momentanhier leben, sind zwischen 25und 94 Jahre alt. Im Kombimodellleben Menschen mit geistigenund körperlichen Behinderungen,die einen hohenPflegebedarf von mindestensPflegegrad 3 oder gar 4 und 5haben.SCHWERPUNKT: ALTERSterbebegleitungAlle Menschen, ob mit oder ohne Behinderungen,wünschen sich vermutlich dieselben Dinge: keineSchmerzen haben, möglichst zu Hause sterben dürfen,begleitet von Menschen, die man kennt und einenmögen. Bis zuletzt selbst bestimmen zu dürfen. Fürdie letzte Lebensphase, das Sterben, hat die LiebenauTeilhabe einen Palliativ-Bogen entwickelt, welcherhilft, in der letzten Lebensphase Entscheidungen imSinne des betreuten Menschen zu fällen.Viele Menschen mit Behinderungenkönnen sichnicht äußern, oder ihnenfehlt die Vorstellung oderdas Verstehen einerKrankheit. Daher ist dieBasis für eine gute Sterbebegleitung,dass die Menschen,welche sie im Lebenbegleiten, möglichst gutdokumentieren: wie die Person bisher gelebt, welcheWünsche sie geäußert hat, Verhaltensweisen und erkennbareHaltungen. Menschen mit Behinderungen benötigenverstehbare Erklärungen, eine einfache Sprache.Wenn möglich muss eine Vorplanung, dassogenannte „Advance Care Planning“ (ACP) erfolgen,bevor ein Mensch stirbt. Dies stellt die dem Tode nahePerson, ihre Angehörigen und Betreuenden, aber auchdie Mitarbeitenden vor eine Herausforderung. Hier hilftder Palliativ-Bogen.Halt und Fürsorge durch NahestehendeDen begleitenden Mitarbeitenden kommt eine besondereAufgabe zu. Sie benötigen mehr Zeit, die Aufmerksamkeitliegt auf dem Moment. Die Kontrolle der Symptomewie etwa Schmerzen oder Atemnot erfordertFachwissen und Kompetenz. Gleichzeitig sind sie oft dieMenschen, welche den Menschen mit Behinderungennahe stehen und ihnen Halt und Fürsorge zukommenlassen. Sie müssen sich für die Wünsche und Bedürfnissestellvertretend stark machen. Sie ermöglichen esKontakte aufrechtzuerhalten, kümmern sich um diekleinen Dinge, welche zum Ende des Lebens wichtigwerden: noch einmal sein Lieblingsgetränk zu kosten,einen Freund noch einmal sehen zu können.In ein Krankenhaus eingewiesen zu werden, sollte erstdann erfolgen, wenn die Fachkräfte medizinisch nichtmehr die Möglichkeit für eine gute Betreuung haben. Esgibt Hospizvereine, welche ihre Besuchsdienste auchfür Menschen mit Behinderungen anbieten. Das Palliativ-TeamBodensee etwa oder Clinic Home Interface inRavensburg unterstützen Sterbende und Mitarbeitende.Das Handlungskonzept findet man unter: stiftung-liebenau.de/teilhabe-und-familie/ueber-uns/fachlichkeitText: Susanne Glöckler, Mitarbeiterin im HausSt. Raphael, Stiftung Liebenau, sowie im Hospiz WangenPiktogramm: © ARASAAC – Gobierno de Aragón, 2024
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