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WIR mittendrin - 1/2021

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10 1 | 2021 EPILEPSIE Medikamente für immer Nicole Weiss, 33, leidet seit ihrer Kindheit an Epilepsie. Was das für sie bedeutet, schildert sie in ihrem Bericht. MOBILITÄT Reha bewegt Im vergangenen Jahr bin ich einige Male gestürzt. Glücklicherweise habe ich mich nicht verletzt, aber ich wurde dadurch unsicher beim Laufen. Seit 15 Jahren benutze ich meinen Rollator. Er bedeutet für mich Mobilität und Selbstständigkeit. Fortbewegung ist sehr wichtig für mich, weil ich gerne unter Leuten bin und viele kulturelle Angebote wahrnehme. Deshalb will ich versuchen, dass ich so lange es geht, mobil bleibe. Im Frühjahr war ich deshalb fast vier Wochen in der Rehabilitationsklinik in Bad Wurzach, um die Beweglichkeit und das Gehen am Rollator richtig zu lernen, Sicherheit zurückzubekommen und die Muskeln zu stärken.Ich habe gleich Freundinnen gefunden. Wir hatten manchmal um die gleiche Uhrzeit Therapie. Wir hatten Koordinations-Gymnastik, Atemtraining, Training mit dem Sitzfahrrad, Ergotherapie, Krankengymnastik, Gerätetraining für die Arm-, Bein- und Fußmuskulatur. Auch „Fit im Kopf“ hat Spaß gemacht. Streck- und Dehnübungen und aufrecht zu gehen hat man mir für zu Hause gezeigt. Mit meinem Bewegungstrainer mit Pedalen machte ich bereits vorher Übungen. Ich fühle mich schon etwas beweglicher. Text: Irmgard Weiland, lebt im Ambulant Betreuten Wohnen der Stiftung Liebenau Foto: Andi Sisic Als Kind, mit circa eineinhalb Jahren, fing es an: Ich hatte täglich mindestens drei bis vier Anfälle. Sogenannte Grand-Mal- Anfälle mit Krämpfen und Bewusstlosigkeit. Meine Mutter hatte dadurch viel mit mir zu tun. Im Oktober 2001 bin ich ins Heim gekommen, da wurde es besser. Ich hatte nicht mehr so oft Anfälle. Nach der Umstellung meiner Medikamente war ich bis Juni 2014 sogar anfallsfrei. Leider wurden die Anfälle ab da wieder häufiger. Im Juli 2020 hatte ich sogar eine Gehirnerschütterung und eine Platzwunde, weil ich in einer Wirtschaft rückwärts vom Stuhl gefallen war. Schon drei Mal war ich wegen meiner Epilepsie im Zentrum für Psychiatrie (ZfP) in Weissenau, zuletzt im Januar 2021. Die Ärzte dort kennen mich schon. Die Hoffnung ist, dass ich mit Medikamenten wieder anfallsfrei werde. Man hat ein Langzeit-EEG gemacht, um zu sehen, was in meinem Gehirn los ist. Das ging drei Tage und ich durfte die Station solange nicht verlassen. So war dort der Tag: 8 Uhr Frühstück, 12 Uhr Mittagessen, 17 Uhr Abendessen. Ich hatte auch Ergotherapie, da habe ich einen Korb gemacht. Und ich durfte auch Besuch bekommen. Nicht alles ist möglich Ein Leben ohne Epilepsie wäre sehr schön. Dann bräuchte ich keine Angst zu haben, zu jeder Zeit einen Anfall zu kriegen. Ich könnte im Zug weiter wegfahren als jetzt. Niemand müsste mich Nicole Weiss beim EEG. abholen, wenn ein Anfall kommt. Ich würde mir auch wünschen, den Führerschein zu machen, aber Autofahren wäre zu gefährlich. Jetzt spare ich auf ein Pedelec. Mit dem kann ich die Fahrradwege nehmen, das ist nicht so gefährlich und ich könnte trotzdem schneller unterwegs sein. Aber eines ist sicher: Medikamente muss ich immer nehmen. Text/Foto: Nicole Weiss Schon gewusst? In Industrieländern wie Deutschland sind zwischen fünf und neun von 1 000 Menschen von einer Epilepsie betroffen. Das Erkrankungsrisiko ist im Kindesalter sowie jenseits des 50. bis 60. Lebensjahres am größten, kann aber in jedem Alter auftreten. Eine Epilepsie ist nicht generell an geistige Behinderungen gekoppelt.

1 | 2021 11 BEGABUNGEN Meisterliche Baukunst in Kleinformat Bis ins Kleinste durchdacht sind die Objekte von Pascal Grenzer. Selbst geplant und gefertigt zeigen sie unsere detailreiche Welt. Preiswürdig. Pascal Grenzer erschafft wie ein Baumeister aus überschüssigen Materialien filigrane Abbilder von Häusern, Autos oder Wohnmobilen. Aus Geschenkpapier aller Art – bunt, kitschig, fröhlich – und mit reichlich überzogenem Klebeband baut er in seiner Freizeit vielschichtige Kunstobjekte, in denen vieles bedacht und mit brauchbarer Funktion eingebaut wurde: Schiebetüren bewegen sich, Katzenklappen wackeln, Dächer sind abnehmbar, Autotüren stehen offen. Die Rampe am Sprinter ist ausziehbar, der Kunstwerk: detailreich und filigran. Rollstuhl und die Camping-Gasflaschen sind separat zum Herausnehmen, aber „Achtung!“ mit der Gasflasche. Besonderen Wert legt Pascal Grenzer auf die Darstellung von Sicherheitstechnik zur Unfallverhütung, der Kindersicherung oder von Einbruch- und Brandschutz. Seine Vorliebe und Begeisterung gelten den Räumen. Seine Einbauten rund um die allgemeine und spezielle Sicherheit lassen die Betrachtenden aufmerksam werden: „Achtung, die Tür schließt allein. Finger weg!“ Bis ins kleinste Detail plant er die Modelle und gestaltet sie differenziert aus. Auch in der Natur zeigt Pascal Grenzer erstaunliche Kompetenz im Handwerk: im Mühlgarten hat er einen Pinguin und eine Wasserleitung gebaut. Immer wieder denkt er sich auch hier eigene kleine Projekte aus. Der kunstfertige junge Mann macht deutlich, wie detailreich unsere Welt ist. Seine Modelle haben unter 1000 Bewerbungen aus Deutschland den 2. Preis des Aktion-Kunst-Preises 2021 gewonnen. Er wurde 1998 geboren und lebt in der Haslachmühle der Zieglerschen. www.aktion-kunst-stiftung.de Text: Silke Leopold Foto: Karin Volz FREIZEIT Mein Traum vom Reiten Der Traum vom Reiten wurde er heißt Jarpur du Patural und ist für Mario Miltz wahr (s. wir ein Junge. Er ist braun. Sonja mittendrin 2 2020). Sonja Wag- sagt, die Farbe heißt Fuchs. Sein gershauser machte ihn mit ih- Fell ist kuschelig. Ich finde Jarren Pferden möglich. pur schön. Jarpur ist ein Islandpferd und Ich habe geweint, als Martin kommt aus Frankreich. Schmidtke, mein Bezugsbetreuer Er ist jünger als gesagt hat, dass ich reiten darf. ich. Ich bin 47 und Eine Frau hat zu Martin gesagt, Jarpur ist 24 dass ich zu ihr zum Reiten kom- Jahre alt. men darf. Ich habe mich gefreut. Sonja hat mir An einem Dienstagnachmittag gezeigt, wie ich sind Martin und ich dann nach einem Pferd Adelsreute zu Sonja Waggers- „Hallo“ sage, hauser gefahren. Ich bin aufge- dann haben wir regt gewesen. Am Hoftor hab ich zusammen Jar- viele Pferde gesehen. Ich musste pur geputzt und weinen, weil es schön war. gestriegelt. Als Sonja ist gekommen und hat uns Jarpur sauber war, das Tor aufgemacht, dann hat sie sind wir auf den uns begrüßt und sich vorgestellt. Reitplatz gelaufen. Ich hab gleich einen großen Ei- Ich habe einen Helm mer mit Karotten gesehen: dicke, bekommen. Ich bin dünne, lange und kurze Karotten auf eine für alle Pferde, die auf Sonjas Leiter gestiegen, um Hof wohnen. auf Jarpur zu sitzen. Dann durfte ich meinen Freund Dann ist er losgelaufen, kennenlernen. Sonja hat gesagt, ich bin geritten. Das war voll schön. Ich war schon dreimal bei meinem Freund Jarpur und werde bald wieder zu ihm und Sonja gehen. Ich möchte 1000mal Danke sagen. Ich bin glücklich. Es zeigt, wie jemand ist Die „Wahren Träume“ von Mario haben mich sehr bewegt. Seinen Traum, sich um Pferde zu kümmern und sie zu pflegen sowie einmal auf einem Pferd zu stehen, könnte ich ihm doch ermöglichen, dachte ich mir. In unserer Reitschule erleben wir immer wieder, wie Menschen sich auf dem Pferd entfalten können. Mit dem Tier wird vor allem deutlich, wie sich jemand gibt und sich bemüht. Nicht wie jemand meint zu sein. In dieser schwierigen Zeit bin ich sehr glücklich, dass ich Mario, mit unseren Pferden, eine Freude bereiten darf. Text: Sonja Waggershauser, Islandpferde-Reitschule Bachäckerhof Foto: Martin Schmidtke

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