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wir mittendrin - 1 / 2019

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Die Zeitschrift von Menschen mit und ohne Behinderungen

2 | Wohnen

2 | Wohnen wir mittendrin 1|2019 Gemeinsam und gut leben Neben- und miteinander als Nachbarn in einer Gemeinde zu wohnen, ist für viele Menschen mit und ohne Behinderungen absolutes Neuland. In der Bodenseegemeinde Oberteuringen mit rund 5000 Einwohnern schildern Bewohnerinnen und Bewohner, wie sie in ihrer neuen Heimat aufeinander zugehen und zusammenleben. Außerdem berichtet der Bürgermeister Ralf Meßmer, was die Gemeinde für eine inklusive Gemeinschaft tut, in der alle einen Platz finden und dabei sein können. Wichtig ist dabei die Inklusionsbeauftragte, von der Gemeinde angestellt, die moderiert, die Menschen vernetzt und mit ihnen Ideen entwickelt und umsetzt. Menschen mit Behinderungen können heutzutage aus vielfältigen Möglichkeiten wählen, wie sie ihr Leben gestalten und wo sie wohnen möchten. Dies reicht vom Leben in Wohngemeinschaften in stationären Einrichtungen bis hin zu gemeindeintegrierten Wohnhäusern mittendrin in Kommunen. Auch Menschen mit intensiverem Assistenzbedarf leben in Gemeinden und werden dort von den Fachkräften der Stiftung Liebenau begleitet. Menschen mit Behinderungen leben zum Beispiel in ihrer Heimatgemeinde in der eigenen Wohnung – allein oder mit Partnerin oder Partner. Manche leben in einer Wohngemeinschaft mit Freunden. Beim sogenannten Ambulant Betreuten Wohnen (ABW) werden sie ganz nach Bedarf begleitet von Fachkräften und Ehrenamtlichen. Mein neues Zuhause Jetzt wohne ich schon seit letztem September in Oberteuringen und fühle mich langsam wohl. Hier im Ort habe ich schon viele neue Leute kennengelernt. Ich vermisse meine Freunde vom Hegenberg und meine Betreuerin. Doch als Fasnet war, habe ich dort meine Freunde wiedergesehen, habe bei ihnen übernachtet und mit ihnen gefrühstückt. Text: Mario Miltz | Foto: Daniel Wild Besonders gut verstehe ich mich mit den Kindern aus der Nachbarschaft. Mit denen spiele ich oft, und manchmal tauschen wir auch Spielsachen aus. Sie sind immer sehr freundlich zu mir, und ich habe dann immer gute Laune. Oft gehe ich mittags auch allein in die Bücherei und leihe mir dort tolle Bücher und CDs aus, denn ich habe einen eigenen Büchereiausweis. Von meinem Balkon kann ich über ganz Oberteuringen gucken und sehe sogar den Zeppelin aus Friedrichshafen, von dem ich so gerne Bilder mache. Ich habe schon ganz viele Sachen gelernt, seit ich hier wohne. Jeden Sonntag wasche ich ganz alleine meine Wäsche, und mein Abendessen richte ich auch selber. Ich habe neue Badeschuhe, mit denen gehe ich sogar selbstständig duschen. Wir fahren oft Einkaufen. Dann kaufe ich mir von meinem Taschengeld neue Sachen und gebe Pfand ab. In Oberteuringen sind oft Feste, die ich auch allein besuchen kann. Einmal war hier eine große Feuerwehrübung. Erst ist die Feuerwehr eingefahren mit dem Blaulicht, aber es war nur Rauch dabei, kein echtes Feuer. Dann haben sie die Leiter rausgefahren und die Leute beim Kindergarten vom Balkon aus gerettet. Ein Feuerwehrmann hat nur am Mikrofon geredet und erklärt, was bei der Übung gemacht wird. Es waren viele Zuschauer da. Ich habe mein Feuerwehrkostüm angezogen und ganz viele Bilder gemacht. Irgendwann waren wir von der Wohngemeinschaft auf dem Sportplatz zum Volleyballturnier. Da kamen auch Mannschaften von ganz weit weg. Wir haben die Mannschaft aus Oberteuringen angefeuert, aber sie hat verloren. Wir haben alle ein Eis bekommen, und ich bin mit dem Kettcar über die ganze Wiese gefahren. In meinem Zimmer stehen viele Feuerwehrautos. Mein Zimmer gefällt mir gut. Mir gefällt nicht so, wenn der Regen auf das Fensterbrett rasselt. Ich wünsche mir, dass das Internet bald funktioniert. Und ich möchte nach Palma fliegen. Vier Stunden fliegen. Das würde mich freuen. Mario Miltz (Reporter der „wir mittendrin“) hat bis August 2018 im Fachzentrum der Stiftung Liebenau in Hegenberg gelebt und in der Werkstatt in Liebenau gearbeitet. Heute arbeitet er in der zur Liebenau Teilhabe gehörenden Werkstatt für Menschen mit Behinderungen (WfbM) in Markdorf.

wir mittendrin 1|2019 Wohnen | 3 Unsere neuen Nachbarn Text | Bild: Judith Bader Zu Beginn waren sie alle sehr neugierig und gespannt auf die neuen Nachbarn. Die Nachbarin Judith Bader berichtet über die gegenseitige Annäherung. Besonders die Kinder in der Nachbarschaft beobachteten sie genau und hatten immer wieder Fragen bezüglich der Art des Gehens oder der auffälligen Sprache. Inzwischen ist mehr als ein halbes Jahr vergangen, und es ist vieles vertraut geworden. Die meisten Bewohner sieht man morgens und abends, wenn sie abgeholt und wiedergebracht werden. Vereinzelt gibt es kleinere Gespräche. Mario Miltz ist einer der Bewohner, welcher sehr offen und kommunikativ ist. Er ist gerne unter Leuten. Ihn kennen wir schon ziemlich gut. Mario mag es, mit meinem Sohn Fahrzeuge auszutauschen. So kam es, dass Jonas vor Weihnachten für längere Zeit drei Feuerwehrautos hatte und Mario von Jonas den Frontlader sowie das Polizeiauto ausleihen durfte. Bei einem spontanen Besuch hat er uns beim Plätzchen backen geholfen. Er war der „Backofenchef“ – gemeinsam mit meiner Tochter Sophia waren sie ein gutes Team. Auch die Musik verbindet uns. Mario kennt viele Lieder. Gerne Neue Freunde: Jonas und Mario. singt er oder spielt auf seinem Klavier. Bei einem Besuch hat er auf unserem Glockenspiel bekannte Lieder gespielt, und wir haben dazu gesungen. Daraus entstand auch die Idee des nachbarschaftlichen Adventssingens, an dem viele Nachbarn und die neuen Bewohner rege teilgenommen haben. Im Januar sind wir der Geburtstagseinladung von Mario gefolgt. Fröhlich hat er uns mit einem ausgefallenen Geburtstagskuchenhut überrascht und uns zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Es war spannend und schön, Freunde sowie die gesetzliche Betreuerin von Mario kennenzulernen. Wenn wir draußen sind, kommt Mario gerne für einen Schwatz zu uns rüber und erzählt seine Neuigkeiten oder gibt uns Tipps und Tricks beim Gärtnern. Das Ende der Besuche oder das Verabschieden fallen Mario oft schwer, gerne würde er immer noch länger bleiben. Wir haben Mario ins Herz geschlossen und freuen uns, dass er sich in Oberteuringen schon so gut eingelebt hat. Abenteuer Inklusion Text | Foto: Anne Oschwald Die Gemeinde Oberteuringen hat sich auf das Abenteuer Inklusion eingelassen. Bürgermeister Ralf Meßmer berichtet. „Wir haben im Vorfeld viel Grundlagenarbeit in Person von Annika Taube geleistet“, sagt Bürgermeister Ralf Meßmer bezogen auf die Inklusionsbeauftragte. So war beim Zuzug von Neubürgern mit und ohne Behinderungen im Jahr 2018 bereits eine wichtige Basis geschaffen. Damit Inklusion vor Ort dauerhaft funktioniert und Menschen wie Mario Miltz teilhaben können, braucht es Engagement und Impulse an vielen Stellen. Als Ort der Begegnung und Anlaufstelle für das Ehrenamt steht seit vergangenem Jahr das moderne „Haus am Teuringer“ zur Verfügung. Hier befinden sich nicht nur Kindertagesstätte sowie ein Bildungs-, Begegnungs- und Förderzentrum (BBF) für Menschen mit Behinderungen sowie Mehrgenerationenwohnungen. Beheimatet ist auch ein öffentliches Café und das Büro der Inklusionsbeauftragten und ihrem Kollegen Michael Friedrich-Gaire von der Stiftung Liebenau. Die Mediathek bietet Medien aller Art, auch inklusive in einfacher und Leichter Sprache. Begegnungen inklusive. Die Leiter der verschiedenen Einrichtungen, einschließlich dem benachbartem Pflegeheim, sind im regen Austausch, und der Sozialbeirat der Gemeinde setzt immer wieder Impulse. Für das Gemeindeoberhaupt ist wichtig, dass sich möglichst viele Bürger aktiv einbringen: „Jeder mit dem, was er persönlich leisten kann und möchte.“ Dabei ist Annika Taube als Impulsgeberin und Vernetzerin beim Thema Inklusion und Ehrenamt in Oberteuringen nicht mehr wegzudenken. Längst realisiert: Oberteuringens Bürgermeister Ralf Meßmer zeigt auf die Modellversion vom „Haus am Teuringer“.

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