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wir - mittendrin 1 / 2018

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Gesellschaft Der Weg der

Gesellschaft Der Weg der Schwabenkinder Im 18. Jahrhundert entstanden die Hütekindermärkte. Jedes Jahr um Josefi (19. März) zogen die Kinder über die Alpen, oft über verschneite Pässe, nach Württemberg und ins bayerische Allgäu, um im Sommerhalbjahr in der Landwirtschaft zu arbeiten. Drei Strecken aus Vorarlberg, Südtirol und der Schweiz zu Höfen in Oberschwaben. Der große Teil der Kinder war zwischen 10 und 15 Jahre alt, manche sogar jünger. In der Heimat wurden sie einfach auch Hütekinder genannt. Das Hüten von Kühen und Gänsen war wichtig, aber sie mussten auch im Stall, im Haus und auf dem Feld helfen. Die Kinder kamen aus armen, kinderreichen Familien. Allein die Tatsache, dass sie über den Sommer weg vom Tisch waren, war ein wichtiges Argument nach Schwaben zu gehen. In Ravensburg versammelten sich die jungen Arbeitskräfte an den Marktagen vor der Wirtschaft „Zur Krone“ in der Bachstraße. Die Kinder wurden von den Bauern der Umgebung begutachtet. Dort wurde auch über den im Herbst auszuzahlenden Lohn verhandelt. Er bestand aus zweimal Einkleidung – dem „Häs“ – und einem kleinen Gehalt. Die „Verdingung“ wurde durch Handschlag besiegelt. Der zentrale Markt war in Ravensburg, nach 1890 in Friedrichshafen. Die Arbeitszeiten waren in der Landwirtschaft oft von 4 Uhr morgens bis 10 Uhr abends. Manche Kinder bekamen auch Anstellung in Privathaushalten und Gasthäusern, zum Beispiel als Kegeljungen. Aber auch dort waren die Tage sehr arbeitsreich. Für manche Kinder gab es nur eine Verschnaufpause in der Kirche. Als 1921 die Schulpflicht für Kinder aus dem Ausland eingeführt wurde, wurden sie für die Bauern unattraktiv. In den 1940ern hörten die Wanderungen auf. Kinderarbeit heute Heute gibt es bei uns keine Kinderarbeit mehr. Aber in anderen Teilen der Welt ist sie noch gang und gäbe. Die Kinder haben oft keine schulische Bildung. Sie müssen Schwabenkinderausstellung im Humpismuseum Ravensburg Dienstag bis Sonntag: 11 bis 18 Uhr Donnerstag: 11 bis 20 Uhr 4

In der Ravensburger Bachstraße erinnert die Figur von Peter Lenk an die Zeit der Schwabenkinder. Geld verdienen, damit die Familie leben kann. Ich habe ein Bild in Erinnerung: Mädchen knüpfen Teppiche, darunter steht: „Ihre Hände lernen nicht schreiben. Ihre Wirbelsäulen sind durch schweres Tragen kaputt.“ Oft sind die Kinder erst sechs, zehn oder zwölf Jahre alt. Statt zu schreiben, knüpfen Kinder Teppiche. Text/Fotos: Ingrun Mathauer Das Schicksal des Kaspanaze Auch der neunjährige Kaspanaze Meser hat es nicht gut getroffen. Seine unverschuldet in Not geratenen Eltern schickten ihn nach Oberschwaben. Er kam nach Witschwende zu den Gebstetters. Der Bauer war jähzornig, rachsüchtig und teilte bei jeder Gelegenheit Schläge aus. Der Junge stand ständig unter Verdacht, etwas gestohlen zu haben. Am Anfang hütete er noch mit dem Knecht Vinzenz das Vieh und trieb es abends wieder in den Stall. Er musste auch die schweren Milchkannen mit der Schubkarre alleine in die Molkerei fahren. Das Essen, das er am Morgen bekam, musste er sich für den ganzen Tag einteilen. Kurzum: Kaspanaze wurde auf dem Hof der Gebstetters nach Strich und Faden ausgenutzt. Er war eine billige Arbeitskraft und hatte kein schönes Leben in der Fremde. Kaspanaze war es auch, der den Vater des Bauern am Baum erhängt im Wald gefunden hat. Der Bauer war wieder zornig auf den Jungen und schlug ihn. Kurz darauf flüchtete Kaspanaze bei Nacht und Nebel und kam in Hasenweiler bei Gründingers an, die einen kleineren Hof hatten. Er musste weiterhin hart arbeiten, aber er konnte sich satt essen und Kaspanaze gefiel es besser. Als der Herbst kam, ging er mit anderen Hütekindern zurück in den Bregenzerwald. Viel später wanderte er nach Amerika aus. Dort traf er Magdalena, die seine Frau wurde. Sie hat ebenfalls im Schwabenland – bei einer Schneiderin – gearbeitet. Buchtipp: Elmar Bereuter, Die Schwabenkinder – Die Geschichte des Kaspanaze, Piper Verlag Text: Irmgard Weiland 5

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