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Stellungnahme: Beihilfe zum Suizid in ethischer Bewertung

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4 Empfehlungen an

4 Empfehlungen an Vorstand, Heimträger und Mitarbeiter 1. Das Ethikkomitee geht davon aus, dass Vorstand, Heimträger und Mitarbeiter – auch ehrenamtliche – vom christlichen Verständnis des Menschseins her Selbsttötung nicht gutheißen. Dennoch gilt, dass die christliche Ethik in der Beurteilung der Selbsttötung einen großen Lernprozess vollzogen hat und heute die herkömmlichen theologischen Konstrukte zum sog. „Selbstmord“ angesichts anthropologischer Momente wie Zukunftsangst und Verzweiflung, die in die Tragödie des Suizids führen, revidiert. Weder die Bewertung des Suizids als „Mord“ ist nach dem Urteil des Komitees gerechtfertigt noch die Bezugnahme auf das Fünfte Gebot, auch nicht die Vorstellung, der Suizident greife in Gottes Souveränität über das Leben ein. Die Stiftung sollte sich bewusst sein, welche Schuld Kirchenleitungen und Christen durch solche Verurteilungen auf sich geladen haben. 2. Der Respekt gegenüber dem Suizidenten, von dem wir „doch nicht so genau wissen“, was sich zwischen Gott und ihm „nun eigentlich zugetragen hat“ (Karl Barth), aber auch gegenüber dem, der aus persönlicher Verbundenheit bereit ist, ihm Hilfe zu leisten, muss an die Stelle jeder Verurteilung treten. Es ist notwendig, die tragische Konfliktsituation, in der ein Suizidwilliger sich befindet, ernst zu nehmen und ihm hilfreich und mit Achtung zu begegnen. Dabei muss den beiden hierfür wichtigen Prinzipien, dem Respekt vor der Selbstbestimmung wie der Bereitschaft zur Fürsorge, Rechnung getragen werden. 3. Auch dem, der uneigennützig und in Betroffenheit über die Not eines ihm eng verbundenen Suizidwilligen bereit ist, diesem beim Suizid zu helfen und dabei die von den oben zitierten Schweizer Ethikkommissionen vorgelegten strengen Kriterien anwendet, versagt die Stiftung ihren Respekt nicht. Dennoch steht die persönliche Beziehung zwischen Menschen auf einem anderen Blatt als die dienstrechtliche Stellung eines Mitarbeiters. Aus diesem Grund untersagt die Stiftung ihren Mitarbeitern, beim Suizid des Bewohners einer Einrichtung der Stiftung zu assistieren, und verankert dies im Dienstvertrag. Als Grundhaltung der Mitarbeiter muss gelten, „im Zweifel für das Leben“ einzutreten. 4. Christliche Einrichtungen und ihre Mitarbeiter sollten Maßnahmen der Suizidprävention unterstützen, ohne dabei Suizidwilligen besserwisserisch gegenüberzutreten. Die Kontakte zu Beratungs- und Hilfestellen sollten verstärkt, eigene Fortbildungsmaßnahmen bei den Mitarbeitern hierzu durchgeführt werden. Die Stiftung Liebenau sollte ihr schon bestehendes Engagement für Hospizarbeit und Palliative Care verstärken. Das Ziel ist, eine Atmosphäre zu schaffen, in der der Suizid-Wunsch möglichst nicht erwacht bzw. in der das Leben jedes Anderen, auch das eines Suizidwilligen, als höchstes Gut angesehen wird. 5. Christen sollten dafür eintreten, dass gesellschaftliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die – neben der Suizidprävention – einen humanen Umgang mit der Problematik gewährleisten. Sehr viele der Kriterien und Empfehlungen, die von den Schweizer Kommissionen erarbeitet wurden (vgl. oben S. 28-36), können dazu beitragen, etwa die Vergewisserung über die Urteilsfähigkeit des Suizidwilligen, die Einsicht in die Spannung von Selbstbestimmung und Fürsorge im Fall eines Suizidwunsches, das Wissen um die Ambivalenz jeder Suizidbeihilfe, das Erfordernis einer Frist zwischen Ersuchen und Akt der Beihilfe, das Einholen einer Zweitmeinung, das Verständnis dafür, dass Suizidbeihilfe nicht formalistisch geregelt werden kann. 6. Entgegen dem von der gegenwärtigen Bundesregierung geplanten Gesetzentwurf zu „§ 217 StGB (neu)“ empfiehlt das Ethikkomitee der Stiftung Liebenau, dafür einzutreten, Sterbehilfeorganisationen nicht zu verbieten, sondern sie unter eine verstärkte staatliche Aufsicht zu stellen, die prüft, ob sie die in der 5. Empfehlung erwähnten Kriterien 44 45

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