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Stellungnahme: Beihilfe zum Suizid in ethischer Bewertung

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assistiertem

assistiertem Suizid auf Grund von schwerer körperlicher Krankheit selten ist. Dass das Leiden unter Schmerzen, unter Durst und Hunger zum Todeswunsch führe, ist oft eine Projektion Gesunder, die sich mit der Selbsteinschätzung der Befindlichkeit durch die Betroffenen nicht deckt. Ob das Angebot der legalisierten Tötung auf Verlangen und der organisierten Sterbehilfe einen „Druck“ auf Schwerkranke erzeugen kann, ihren Angehörigen oder der Gesellschaft „nicht mehr zur Last zu fallen“, ist schwer zu beurteilen. Die Zahlen ergeben kein eindeutiges Bild: „Zwischen 2011 und 2012 ist die Zahl der Fälle von Sterbehilfe in den Niederlanden von 3695 auf 4188 um ca. 13% gestiegen“, stellt das Deutsche Referenzzentrum für Ethik in den Wissenschaften (DRZE) fest. Zu Unrecht folgert es jedoch, „damit setze sich ein Trend fort, der sich seit 2002 abzeichne(…)“ 24 , denn zwischen 2000 und 2005 war die Zahl zurückgegangen. Dass also die nicht mehr strafbewehrte Tötung auf Verlangen und das durch Organisationen bereitgestellte Angebot der Beihilfe zur Selbsttötung einen „Dammbruch“ bewirken, ist wahrscheinlich zu viel gesagt. Empirische Untersuchungen legen dennoch einen gewissen Zusammenhang zwischen solchen gesellschaftlichen bzw. rechtlichen Regelungen und der Höhe der Suizidbeihilfe-Zahlen nahe. Nach einer im Jahr 2009 von der Bundesärztekammer in Auftrag gegebenen Untersuchung des Allensbach-Instituts bei 527 repräsentativ ausgewählten Ärzten erhielt das Argument, Menschen könnten sich um ärztliche Hilfe beim Suizid bemühen, weil sie sich als Belastung für Familie und Gesellschaft fühlten, hohe Zustimmung (89%). 25 In der schon genannten internationalen EURELD-Studie („European end-of-life decisions“), die mit Hilfe von Fragebögen medizinische Entscheidungen am Lebensende in sechs europäischen Staaten untersuchte, „konnte nachgewiesen werden, dass mit 0,36% der höchste Anteil von ärztlich assistierten Suiziden an den untersuchten Todesfällen in der Schweiz auftrat. In den Niederlanden fand ein ärztlich assistierter Suizid in 24 http://www.drze.de/im-blickpunkt/sterbehilfe/rechtliche-regelungen (Zugriff 21.06.2014). 25 Institut für Demoskopie Allensbach. Ärztlich begleiteter Suizid und Aktive Sterbehilfe aus der Sicht der deutschen Ärzteschaft. Ergebnisse einer Repräsentativbefragung von Krankenhaus und niedergelassenen Ärzten. Juli 2010. Vgl. http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/ Sterbehilfe1.pdf, S. 10 (Zugriff 23.06.2014). 0,21% der untersuchten Todesfälle statt, der Anteil der Todesfälle durch Tötung auf Verlangen war jedoch mit 2,59% in den Niederlanden deutlich höher.“ 26 Die aufgeführten Zahlen lassen erkennen, dass entsprechende gesetzliche Regelungen eine „schiefe Ebene“ herstellen: Was nicht strafrechtlich untersagt ist, wird „salonfähig“! 3.2.4 Die Problematik des sog. „Sterbetourismus“ Von Jahr zu Jahr steigt in der Schweiz die Zahl der Menschen, die, unterstützt von einer Sterbehilfe-Organisation, Suizid begehen. Das gilt besonders für den Kanton Zürich, wo die Organisationen „Dignitas“ und „Exit“ einen hohen Bekanntheitsgrad haben; „Exit“ hat in der Schweiz über 80 000 Mitglieder. Im Jahr 2011 waren es etwa 450 Menschen, die sich mit Hilfe der beiden Vereinigungen das Leben nahmen. In der Niederlassung von „Dignitas“ in Pfäffikon (ZH) starben 144 Suizidenten, das sind rund 35% mehr als im Vorjahr. Bei „Exit“ erhielten über 300 Menschen Hilfe, gegenüber 2010 ein Anstieg von rund 20%. 27 Die Faszination des neuzeitlichen Leitmotivs „Selbstbestimmung“ heißt, auf das Lebensende übertragen: Wir möchten unsere letzte Lebensphase kontrollieren! Aus deutscher Sicht ist bemerkenswert, dass vor allem die Zahl der Ausländer, die dieses Angebot wahrnehmen, ständig steigt. Von den 144 Menschen, die sich 2011 mit Hilfe von „Dignitas“ in Zürich das Leben nahmen, sollen nur fünf Schweizer Staatsangehörige gewesen sein. 2012 waren es bereits 172 ausländische Suizidwillige; sie kamen aus 31 Ländern, die höchste Zahl – nämlich 77 – stammt aus Deutschland. 28 Bereits 2003 hatte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ mit der Schlagzeile „Zürich sehen und sterben“ 29 darauf hingewiesen, wie in der Schweiz die „Giftbeschaffung aus Bürgersinn“ funktioniert. 26 A. van der Heide et al.: End-of-life decision-making in six European countries: a descriptive study. Lancet 2003, p. 362, 345-350. Zitiert bei Sabine Salloch: Ärztlich assistierter Suizid als Herausforderung für das ärztliche Berufsethos. Kongresspublikation (Zugriff 23.06.2014). Vgl. http://www.schleyer-stiftung.de/pdf/pdf_2011/thesen_berlin_10_11/Salloch_Sabine_Vortrag. pdf (Zugriff 23.06.2014). 27 http://www.jme.bmj.com (Zugriff 20.08.2014 unter 10.1136/medethics-2014-102091). 28 Neue Züricher Zeitung vom 21.08.2014, gestützt auf Zahlen des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Zürich. 29 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 16.09.2003, S. 44. 22 23

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