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Sabines Geschichte auf der therapeutischen Wohngruppe

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Sabine ist 38 Jahre alt.

Sabine ist 38 Jahre alt. Sie lebt seit 2008 im sozialtherapeutischen Wohnheim der St. Lukas-Klinik. „Unsere Station ist eine sozialtherapeutische Wohngruppe, auf der zwölf erwachsene Menschen mit ganz unterschiedlichen Charakteren und Bedürfnissen zusammenleben – Sabine ist eine davon. Unsere Aufgabe ist es, Strukturen und Tagesabläufe zu schaffen, die in Richtung „Normalität“ weisen – was auch immer „Normalität“ überhaupt bedeutet. Die Gestaltung des Alltags ist dabei unheimlich wichtig. Feste Bezugspersonen und Abläufe geben Halt und Orien- tierung. Wir Mitarbeitenden sind da, bauen Beziehungen und Vertrauen auf, leisten Hilfe und leben unseren Bewohnerinnen und Bewohnern Werte und Normen vor. Helge Rozanowske, Leiter auf der Wohngruppe Lukas 41/42 Für uns gilt, das Zusammenleben zu fördern und gleichsam alle so anzunehmen, wie sie sind. Wir möchten niemanden verändern. Veränderung kommt von innen. Was wir tun können: Die Strukturen so anpassen, dass jede und jeder Einzelne so sein darf, wie sie oder er ist. Sabine hat hier ihr Zimmer mit einem unordentlichen, gut bestückten Schrank und zwanzig Paar Schuhen unter dem Bett. Sie liebt es, sich mehrmals am Tag umzuziehen. Sie ist eine emotionale Person, die im einen Moment fröhlich und lebenslustig, im anderen Moment unglücklich verliebt, eifersüchtig und wütend ist. In solchen Situationen kann sie ihre Gefühle nicht immer richtig einordnen und reagiert ungehalten. Manchmal tut sie anderen dabei weh. Manchmal sich selbst. Am Ende ärgert sie sich über sich selbst und empfindet Reue. Da wir Mitarbeitenden seit vielen Jahren verlässlich für Sabine existieren, schaffen wir es heute, solche Situationen zu deeskalieren. Sie hat gelernt, sich für eine Weile selbst aus der konfliktbehafteten Umgebung herauszunehmen, indem sie die Station verlässt. Nach ein paar Minuten kommt sie beruhigt und gestärkt wieder zu uns zurück. Das zeigt uns, wie wichtig Vertrauen auf beiden Seiten ist. Es birgt hohes Entwicklungspotential. Wenn Sabine mich in so einer Situation in den Arm nimmt, anstatt mich zu schlagen, weiss ich, dass die Arbeit mit Menschen für mich nicht nur ein Beruf, sondern eine Berufung ist.“

Susanne Pawlowski, Sozialarbeiterin in der Förderwerkstatt „Der erste Lebensbereich benennt das Primärumfeld jeder Person. Das Zuhause, die Familie – oder wie hier in der St. Lukas-Klinik – die Wohngruppe. Schule, Ausbildung oder Beruf werden als zweiter Lebensbereich verstanden. Hier trifft man auf andere Menschen, auf Kolleginnen und Kollegen, kann andere Rollen einnehmen und Fähig- wie Fertigkeiten einbringen. Für die erwachsenen Bewohnerinnen und Bewohner unseres Heimbereichs gibt es verschiedene Möglichkeiten – sie können in ein Praktikum vermittelt werden, in einer der Werkstätten für Menschen mit Behinderungen arbeiten, oder – wenn das nicht möglich ist – in die hausinterne Förderwerkstatt gehen. Das Prinzip der Förderwerkstatt ist wie das eines Schul- oder Arbeitsplatzes. Wir bewirken Tagesund Sozialstruktur. Ziel ist die Teilhabe an einem möglichst normalen gesellschaftlichen Leben. Sabine kommt jeden Tag für mindestens eine Stunde in die Förderwerkstatt. Da ihre Zeit hier Arbeitscharakter hat, bekommt sie von uns Aufgaben, die sie erledigen soll – natürlich im Rahmen ihrer Fähigkeiten. Was Sabine beispielsweise gerne und gut macht, ist, Socken zu sortieren. Einzelstücke, die in der Wäscherei aus der Sortiermaschine fallen, sichtet sie und verteilt sie auf die Stationen unseres Hauses. Hier hilft ihr ein gutes Namensgedächtnis und die Tatsache, dass sie die Menschen im Haus kennt und zuordnen kann. Diese Arbeit macht ihr Freude, sie wird gelobt und positiv bestärkt, was sich auf ihr Selbstwertgefühl auswirkt. Neben der „Arbeit“ wird hier in der Förderwerkstatt auch gespielt, getanzt, gebastelt, gewerkelt. Wir entscheiden je nach Tages- und Jahreszeit und orientieren uns an den übergeordneten Zielen, die wir gemeinsam mit den Therapieleitungen für jede Bewohnerin und jeden Bewohner definiert haben. Die sozialen Kontakte sind die zweite Komponente, auf die wir unseren Fokus richten. Natürlich treffen sich hier die unterschiedlichsten Charaktere, und von Freundschaft bis Eifersucht findet sich alles. Das heißt für unsere Bewohnerinnen und Bewohner durchaus, auch über Grenzen gehen zu müssen, um Sozialkompetenz aufzubauen. Ich kenne Sabine als freundliche, aufgeschlossene Person. Sie fühlt sich sehr jugendlich, liebt Musik und schätzt die Gesellschaft anderer (vor allem junger) Menschen. Durch die Reglementierungen in der Pandemie betreuen wir im Moment nur wenige Personen gleichzeitig, die außerdem auf den gleichen Wohngruppen leben. Diese Beschränkung bedauert Sabine sehr – sie genießt den Kontakt zu Menschen anderer Wohngruppen immer sehr – und die Förderwerkstatt war stets ein Treffpunkt, an dem etwas anderes passierte, als auf den Wohngruppen.“

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