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Menschenwürde und Selbstbestimmung

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Menschenwürde und Selbstbestimmung 15.09.2021 1. Einführende Gedanken 1.1. Beispielfall: Besuchsverbot in Corona-Zeiten Mitglieder des Ethikkomitees Matthias Haag Ruth Hofmann Thomas Löffler Dr. Bernhard Preusche (Geschäftsführung) Prof. Dr. Herbert Rommel (Vorsitzender) Dr. Helmut Schädler Marie-Therese Selbitschka Frau H. ist 95 Jahre alt und lebt seit zwei Jahren in einem Altenheim, wo sie rund um die Uhr gut betreut und gepflegt wird: Täglich unterstützen sie die Betreuenden bei der Erfüllung ihrer täglichen Bedürfnisse – wie Körperpflege, Essen und Trinken, Medikamentengaben und der Reinigung ihrer Wohnung. 1 Frau H. ist schwerhörig und trägt ein Hörgerät. Trotz kleiner Vergesslichkeiten gehört sie zu den kognitiv fitten Seniorinnen in ihrem Alter. Sie genießt es, im Garten eine Runde zu gehen. Ihr Lebensinhalt besteht vor allem darin, die verbleibende Zeit mit den Angehörigen zu verbringen. Sie wird täglich mindestens eine Stunde von ihrer Tochter oder der Enkelin und weiteren Familienmitgliedern besucht. Frau H. leidet immer wieder unter starken Schmerzen aufgrund von Tumoren in der Brust und im Unterleib. Operationen kommen für sie nicht mehr in Frage. Gegen die Schmerzen erhält sie bedarfsgerecht Tropfen und Opiumpflaster. Da Frau H. von ihren Schmerzen oft nur in Gegenwart ihrer Tochter oder Enkelin spricht, fungieren beide als Sprachrohr gegenüber dem Pflegepersonal, das die Bedarfsmedikation verabreicht. „Bisher war für alle Beteiligten das Leben mit allen Höhen und Tiefen handhabbar und lebenswert“, sagt die Enkelin. Diese eingespielte Situation änderte sich mit Beginn des Besuchsverbots für Angehörige im Pflegeheim bedingt durch die Corona-Pandemie: „Meine Oma äußert zunehmend mehr Schmerzen, die trotz der mittlerweile erhöhten Medikamentendosis durch den Hausarzt nicht gelindert werden können. Wir versuchen, sie regelmäßig zu sehen, doch die Besuche gestalten sich nicht besonders glücklich. Meine Oma wohnt im ersten Obergeschoß des Altenheims. Es ist den Heimbewohnern nicht gestattet, ins Untergeschoss zu gehen, da eine ‚Vermischung‘ der Bewohner aus Infektionsschutzgründen vermieden werden soll. Das hat zur Konsequenz, dass alle Bewohnerinnen des ersten Stocks quasi 1 Das Ethikkomitee hat sich für eine gender-kreative Schreibweise entschieden, das heißt, weibliche und männliche Formen werden abwechselnd verwendet; gemeint sind immer Personen beiderlei Geschlechts. 3

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