MEDIZIN LIEGT IN DER FAMILIE 73 Jahre ärztliche Tätigkeit in Liebenau Die medizinische Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner gehörte von Beginn an zu den Aufgaben der Stiftung Liebenau. Um 1900 wurde der erste eigene Anstaltsarzt angestellt. Heute sind in der St. Lukas-Klinik 16 Ärztinnen und Ärzte beschäftigt. Eine davon ist Dr. Dorothea Ehrmann. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin ist Leitende Oberärztin der modernen Station für Allgemeinmedizin und Pflege – und gleichzeitig steht sie für ärztliche Tradition in Liebenau, als Nachfolgerin ihres Vaters Dr. Bernhard Ehrmann, 40 Jahre Arzt in Liebenau. Dorothea Ehrmann wurde ihr Beruf quasi in die Wiege gelegt. Ihr Vater war bereits seit 1947 Arzt der damaligen Heilund Pflegeanstalt. Das Elternhaus grenzte direkt ans Stiftungsgelände, die Menschen dort waren vertraute Nachbarn. Eine der frühen Erinnerungen ist der sonntägliche Kirchenbesuch, natürlich in der Liebenauer Kirche. „Danach ging ich an der Hand meines Vaters auf Visite.” Die Visiten finden sich auch in den Erinnerungen ihres Vaters*: „Als einziger Heimarzt konzentrierte ich die ärztliche Betreuung der Behinderten auf die täglichen Sprechstunden, zeitlich in einer Art Bestellpraxis auf die einzelnen Wohnbereiche abgestimmt. Fast täglich, oft auch sonntags, machte ich einen Visitengang durch die Wohngruppen der Schwerbehinderten beziehungsweise deren so genannte Krankenstuben.” Die St. Lukas-Klinik als Krankenhaus gibt es erst seit 1973. 48 Schwerpunkt
Die junge Dorothea Ehrmann wusste früh, dass sie in die Fußstapfen ihres Vaters treten wollte, „weil mich mein Vater in früher Kindheit durch sein Wirken als Arzt nachhaltig bis zum heutigen Tage inspiriert hat. Tag für Tag erwarten einen neue Herausforderungen, dem Individuum Mensch individuell zu helfen. Eine Genugtuung, wenn dies gelingt!” Nach dem Medizinstudium begann sie 1986 als Haus- und Heimärztin in Liebenau. Mit einem weit größeren Tätigkeitsspektrum als in einer niedergelassenen Praxis, von der Prävention über die Behandlung Erkrankter hin zur akuten Wundversorgung. Je nach Persönlichkeit des Patienten musste sie manchmal zu unkonventionellen Mitteln greifen: „Einmal hat sich ein Bewohner mit Epilepsie bei einem Sturz eine Platzwunde zugezogen, die haben wir in der Badewanne genäht.” Das unkonventionelle Arbeiten, den Rundum-Blick auf die Patienten hat sie auch von ihrem Vater gelernt. Er beschäftigte sich nicht nur mit der medizinischen Versorgung der Bewohner, sondern auch mit ihrer Förderung: „Der Mangel an Betreuern, zu wenig Freiraum für die Behinderten in den Großgruppen mit bis zu 56 Bewohnern (…), die steigende Zahl der Verhaltensauffälligkeiten und Dissozialen (…) lenkten Mitte der sechziger Jahre meine Hauptaufmerksamkeit auf die Beschaffung von Arbeitsplätzen und Möglichkeiten irgendeiner Beschäftigung.” Die Rahmenbedingungen der ärztlichen Tätigkeit haben sich seit den Zeiten ihres Vaters sehr verändert. „Es gibt enorme technische Entwicklungen und neue Medikamente. Auch die zunehmende Differenzierung, mit gemeindeintegrierten Wohnhäusern und sozialtherapeutischen Gruppen, erfordert anderes Arbeiten.” Aber im Kern sei doch vieles geblieben, sagt Dr. Dorothea Ehrmann. Zum Beispiel die Krankheitsbilder, die Menschen mit Behinderungen besonders häufig betreffen, von der Epilepsie bis hin zu Problemen des Verdauungstrakts, bedingt oder verstärkt durch die Behinderung oder durch Medikamente. Auch Infektionskrankheiten beschäftigen die Mediziner in der St. Lukas-Klinik damals wie heute. Noch einmal Dr. Bernhard Ehrmann: „Die Konzentration vieler Menschen auf engem Raum (…) bot vor allem vor der Impfära breiten Raum für Infektionskrankheiten. So traten beispielsweise viermal Ruhrepidemien auf, die hartnäckigsten waren 1947 und 1962. Zweimal erkrankten Behinderte an spinaler Kinderlähmung (…). Auf amtsärztliche Anordnung hin mussten ganze Abteilungen geschlossen werden. Der Sonderschulbetrieb wurde einige Zeit eingestellt. (…) So hochwirksame (…) Desinfektionsmittel gab es damals in weit geringerem Umfang.” Aus heutiger Sicht erschreckende Bilder, und umso mehr erleichtert der Gedanke, dass die Klinik heute weitaus besser ausgerüstet ist. In einem Punkt wünscht sich Dr. Dorothea Ehrmann allerdings in andere Zeiten zurück: „Die Bürokratie hat enorm zugenommen. Wir Ärzte verbringen viel mehr Zeit am Schreibtisch, am PC, bei der Abstimmung mit Behörden.” Auf ihrer Wunschliste steht dann auch obenan: Mehr Zeit für die Menschen. Mehr Zeit und Raum für ihre Besonderheiten, für Anamnese und Differenzialdiagnostik. „Dafür muss immer ein gewisser Puffer bleiben.” (hr) *Dr. Bernhard Ehrmann: 40 Jahre Arzt in Liebenau. Streiflichter. In: „Miteinander Leben teilen. Einander Leben mitteilen. Norbert Huber. Dem 60-Jährigen als Geburtstagsgeschenk von Mitarbeitern der Stiftung Liebenau”. 1986. Schwerpunkt 49
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