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Jahresbericht 2017 der Stiftung Liebenau

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Die Tagesklinik

Die Tagesklinik Bernsteinstraße wurde im Jahr 2007 von der Stiftung Liebenau und der diakonischen Einrichtung Mariaberg gegründet. In Fachkreisen gilt sie als Zukunftsmodell. Noch ist die Tagesklinik eine bundesweit einzigartige Einrichtung der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Wegen des Erfolgs und des Bedarfs planen die Stiftung Liebenau und Mariaberg derzeit jeweils eine weitere tagesklinische Einrichtung für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen. In Liebenau soll der Betrieb im Herbst 2018 starten. gend ein vollstationärer Aufenthalt erforderlich ist. Joana und ihre Eltern kannten die Tagesklinik in der Stuttgarter Bernsteinstraße bereits aufgrund eines früheren Aufenthaltes, bei dem sie sich gut begleitet wussten. Wegen dieser guten Erfahrung, aber auch wegen der Nähe zum Wohnort meldeten sie sich erneut dort, als sie sich in einer belastenden bis ausweglosen Situation sahen. Denn Joana verweigerte den Schulbesuch, wollte nichts mehr unternehmen, war schnell überfordert, reagierte auf Stress mit dissoziativen – in diesem Fall krampfartigen – Anfällen, hatte oft Bauchweh und Kreislaufprobleme. Kurzum: Das gesamte Gefüge stimmte nicht mehr. Das hatte auch Folgen für das Familienleben, für den beruflichen Alltag der Eltern, für die Klassengemeinschaft. „Wir haben alles Mögliche versucht und kamen mit unseren Ideen nicht mehr weiter”, berichtet Vater Rainer. Heide Schröder-Kranz, Leitende Oberärztin der Tagesklinik Bernsteinstraße, kennt diese Situation. Viele ihrer jungen Patienten haben bereits eine Odyssee hinter sich, bis sie zu ihr kommen. „Wenn sie bei uns sind, machen wir eine komplett neue Bestandsaufnahme”, berichtet die Ärztin. Gegenüber einer Ambulanz habe die Tagesklinik den Vorteil, dass das Fachteam die Kinder und Jugendlichen den ganzen Tag in verschiedenen Bezügen erleben und begleiten kann. Auf zwei Stationen können in der Tagesklinik insgesamt 20 Kinder und Jugendliche in altersgemischten Gruppen aufgenommen werden. Der diagnostische und der therapeu- tische Prozess sind von Anfang an miteinander verknüpft. In der Klinik erhalten sie in fürsorgender Atmosphäre Entwicklungsanstöße, die im geschützten Rahmen schrittweise erweitert und gefestigt werden. Angeschlossen an die Tagesklinik ist eine kleine Schule. Joana hat ihren Aufenthalt in der Tagesklinik Bernsteinstraße als sehr abwechslungsreich erlebt. Musiktherapie, Schwimmen, Klettern, Ausflüge, Backen, Schülercafé – es gibt so vieles, an das sich die 15-Jährige gerne erinnert. „Ich hatte auch Zeit, in der Gruppe zu basteln und zu spielen”, erzählt Joana und fügt noch etwas ganz Wichtiges hinzu: „In der Tagesklinik habe ich zwei neue Freunde gefunden.” Gut getan haben ihr auch die regelmäßigen Gespräche mit Arzt und Psychologen. „Die enge Begleitung und das Wahrnehmen ihrer Bedürfnisse haben ihr geholfen. Sie ist gestärkt aus der Therapie rausgegangen”, berichten ihre Eltern Annette und Rainer. „Uns haben die Gespräche mit Ärzten, Psychologen und Lehrkräften der Tagesklinik ebenfalls sehr geholfen.” Auch nach der Therapie haben sie noch regelmäßige Gesprächstermine mit Mitarbeitern der Tagesklinik und sind froh über diese „Backup-Sicherung”. Für Joanas Alltag zu Hause haben sie gemeinsam einige Stellschrauben gefunden, mit denen Stressfaktoren gemildert oder vermieden werden können. Denn es hatte sich in der Tagesklinik herausgestellt, das Joana mit körperlichen Beschwerden oft auf Stress reagiert. Hinzu 38 Schwerpunkt

kommt, dass sie mitten in der Pubertät steckt, aber mit ihrer sozio-emotionalen Entwicklung ihrer körperlichen Reife um einige Jahre hinterher hinkt. Das ist typisch für Menschen mit einer geistigen Behinderung. „Wir müssen uns daran auch immer wieder erinnern”, sagt ihr Vater. Hilfestellungen in Alltagssituationen, etwa bei der Körperpflege, wurden diesem Umstand nun angepasst. Der bislang sehr lange Bustransfer zur Schule wurde umgestellt und damit deutlich abgekürzt – eine große Entlastung für die 15-Jährige. Und mit ihrer Lehrerin treffen sich Joana und ihre Eltern nun regelmäßig zu Gesprächen. Die enge Einbindung der Eltern ist aus Sicht von Heide Schröder-Kranz elementarer Bestandteil der Behandlung und entscheidend für den Therapieerfolg. Denn es soll ja gemeinsam herausgefunden werden, welche Schritte erforderlich und alltagstauglich sind, damit die Kinder eine Entlastung erfahren und wieder eine Perspektive haben. „Ziel der Behandlung ist, die Kinder und Familien so zu stärken, dass wir überflüssig werden”, erklärt die Ärztin. „Joana geht wieder gerne zur Schule und empfindet keinen Druck mehr. Und wenn doch etwas belastend ist, dann weiß sie, dass sie es sagen kann”, erzählen ihre Eltern. Dies kommt nicht nur der 15-Jährigen, sondern auch dem schulischen Leben zugute. Zudem hat sie wieder Freude an Ausflügen, nimmt gerne am Leben teil, möchte sich mit Freunden und Verwandten treffen. „Die Großeltern merken auch, dass sie entspannter ist”, sagt ihre Mutter. Das gesamte Familienleben ist wieder ins Lot gekommen, der Alltag klappt gut. Dies wirkt sich sogar, wie die Eltern berichten, auf ihren Berufsalltag aus: „Weil es Joana gut geht, können wir uns jetzt wieder entspannter und besser auf unsere Arbeit einlassen.” Kurzum: Für die ganze Familie ist die Tagesklinik Bernsteinstraße ein „wichtiger Rückhalt mit Langzeitwirkung”, sagt Mutter Annette. „Die Tagesklinik unser Anker. Wenn Joana das Wort Bernsteinklinik hört, dann guckt sie auf und lacht.” Schwerpunkt 39

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