ildung Autismus: So gelingt der Berufseinstieg Ausbildung und Job trotz Autismus? Das Berufsbildungswerk Adolf Aich (BBW) der Stiftung Liebenau bildet derzeit rund 70 junge Menschen mit dieser Diagnose aus und beweist seit Jahren mit guten Vermittlungsquoten, dass dies durchaus möglich ist – mit der entsprechenden Förde- rung und fachlichen Begleitung. Für Martin B. war schon vor seinem Start in seine Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme (BvB) im BBW klar: Koch wolle er werden, schließlich koche er zuhause ja gerne. Der Stress und die Hektik in der Küche? An das alles dachte er nicht bei seinem vorschnellen Berufswunsch. Das sei ganz typisch für Jugendliche mit einer Autismus-Spektrum-Störung, erklärt BBW-Psychologin Gabriele Schneider. „Viele wollen auch gleich den Beruf ergreifen, in dem sie ein erstes Praktikum gemacht haben.“ Dabei gibt es vielleicht bessere Alternativen. Diese lernte auch Martin B. im Laufe seiner BvB kennen, schnupperte in die verschiedensten Berufsfelder hinein und beließ es schließlich beim Kochen als Hobby. Stattdessen entschied er sich für eine Ausbildung zum Fachlageristen. Hier kam er gut zurecht, das Arbeitsumfeld stimmte, und es machte ihm Spaß. „Grundsätzlich sollte man die Neigungen und Wünsche der autistischen Jugendlichen berücksichtigen und versuchen, eine Tätigkeit zu finden, die zu ihren Stärken und Spezialinteressen passt“, betont Schneider die Wichtigkeit der Berufswahl. Pauschale Job-Empfehlungen könne man zwar nicht aussprechen, und doch gebe es bestimmte typische Berufsfelder, die für viele Autisten besonders attraktiv seien. Lager-Jobs gehören dazu, und auch der IT-Bereich, da hier „klar strukturierte Arbeitsabläufe möglich sind, die eine geringere Flexibilität und eher weniger kommunikative Kompetenzen erfordern“. Spezialisten in Sachen Autismus So heißt es wörtlich in der BBW-eigenen Autismus- Konzeption. Kernaussage: „Menschen mit Autismus- Spektrum-Störungen können eine Ausbildung erfolgreich absolvieren und sind auf dem ersten Arbeitsmarkt integrierbar.“ Und das steht nicht nur auf dem Papier, das beweist das BBW Jahr für Jahr und hat sich längst als hochspezialisiertes Kompetenzzentrum für Menschen mit besonderem Teilhabe- und Förderbedarf – insbesondere auch in Sachen Autismus – etabliert. Aktuell betreut das BBW in Ravensburg rund 70 Autisten. Tendenz steigend. Doch nicht nur die Zahl dieser Teilnehmer nimmt zu. Auch ihr Betreuungsaufwand wird immer höher – und damit die Hürden auf dem Weg in den Arbeitsmarkt. Um diese zu meistern, braucht es viel Geduld, Know-how und eine Infrastruktur, wie sie eine Einrichtung wie das BBW unter einem Dach vereint. Hier kümmert sich ein eingespieltes Team aus Psychologen, Sozialpädagogen, Ausbildern, Lehrern sowie einem Kinder- und Jugendpsychiater um die jungen Menschen. Individuelles Förderpaket wird geschnürt Am Anfang stand auch für Martin B. die Eignungsdiagnostik. Sie bildet die Basis für den weiteren Förderplan im BBW. Aufbauend auf den Fertigkeiten und Neigungen des einzelnen Jugendlichen werden die persönlichen Ressourcen genutzt und gefördert. Defizite werden kompensiert, Alternativen für etwaige Verhaltensprobleme erarbeitet. Im Falle von Martin B. ging es zum Beispiel darum, seinen Umgang mit Kritik und generell seine sozialen Kompetenzen zu verbessern, ihn damit fit zu machen für den Alltag am Arbeitsplatz. Neben einem gezielten Coaching durchlief er mehrere Wohnformen – vom BBW-Internat über die Außenwohngruppe bis hin zum eigenen Appartement in der Stadt – und wurde dabei Schritt für Schritt immer selbstständiger. Das theoretische Rüstzeug für seinen Beruf erhielt er in der BBW-Sonderberufsschule, der Josef- Wilhelm-Schule. Auch dort finden junge Autisten ein optimales Lernumfeld vor und erhalten zum Beispiel zusätzlichen Stütz- und Förderunterricht. Ob im Klassen- zimmer, in der Werkstatt oder im Wohnheim: Stabile Rahmenbedingungen sind für Menschen wie Martin B. das A und O. So wird auf feste Abläufe sowie eine reizarme Umgebung geachtet. Das heißt zum Beispiel, auf unnötige Dekoration am Arbeitsplatz zu verzichten, Raumteiler zu installieren und den Lärmpegel so gering wie möglich zu halten. Darüber hinaus werden Auszeiten gewährt, Ruhe-Zonen eingerichtet. Es gibt autismusspezifische Wohngruppen und entsprechende Freizeitangebote. Netzwerk von Bildungsprofis Um das Zusammenspiel aller Fördermaßnahmen kümmert sich – wie bei jedem Jugendlichen im BBW – der jeweilige Bildungsbegleiter. Diese sozialpädagogischen Fachkräfte dienen auch als Art „Übersetzer“, um die im Umgang von Autisten mit Nicht-Autisten immer wieder entstehenden Missverständnisse auszuräumen. Oder sie organisieren den passenden Praktikumsplatz, helfen beim Umgang mit Behörden und Kostenträgern, stehen im Kontakt mit dem Jugendamt oder der Agentur für Arbeit und koordinieren weitere Hilfen. Eng begleitet wird der Ausbildungsalltag von Autisten insbesondere auch vom BBW-Fachdienst Diagnostik und Entwicklung. Dieser gestaltet den medizinisch-therapeutischen Prozess. „Von ihrem ersten Tag im BBW bis zu ihrem letzten erhalten diese Menschen von uns ein individuell angepasstes Coaching – sowohl einzeln als auch in der Gruppe“, erklärt Fachdienstleiter Dr. Stefan Thelemann. Und im Fall einer akuten Krise sind die BBW-Psychologen dank der kurzen Wege schnell zur Stelle. Mögliche Schwierigkeiten bekommen Gabriele Schneider und ihre Kollegen ohnehin mit, stehen sie doch in regelmäßigem Austausch mit den Ausbildern und Lehrkräften. Nischen auf dem Arbeitsmarkt nutzen Bei den Prüfungen ist Schneider mitunter sogar selbst anwesend – als Begleitperson. Eine solche dürfen Prüflinge mit Autismus im Rahmen des Nachteilsausgleichs in der Regel mitbringen. Dabei klärt die BBW- Psychologin die Prüfer zum Beispiel darüber auf, keine unklaren oder doppelten Fragen zu stellen und damit ihr Gegenüber in die Bredouille zu bringen. Was den Lernstoff angeht, gibt es natürlich auch für Autisten keine Extrawurst. Die Leistungsnachweise müssen erbracht werden. Und das schaffen immer wieder auch Jugendliche, die einst als fast aussichtslose Fälle galten. Doch finden sie dann auch einen Arbeitsplatz? Damit auch dieser letzte Schritt ins Berufsleben gelingt, gibt es Bewerbertraining und Hilfe bei der Jobvermittlung. Auch den Führerschein können die Autisten direkt in der neuen hauseigenen BBW-Fahrschule machen. Ihre Jobchancen stehen dann nicht schlecht. „Über frühzeitige Vermittlungspraktika können – wenn die Rahmenbedingungen stimmen – Nischen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gefunden werden, die den Fähigkeiten und Erfordernissen der Absolventen entsprechen“, weiß Dr. Thelemann. Martins Erfolgsgeschichte Eine ausgesprochen gute Perspektive hat auch Martin B. Er hat nicht nur seine Ausbildung im BBW mit Erfolg beendet, sondern inzwischen sogar ein BWL-Studium begonnen. Gabriele Schneider kann von mehreren solcher Erfolgsstorys berichten. Doch natürlich endet nicht jede Geschichte an der Uni. Bei anderen jugendlichen Autisten ist es aufgrund der Schwere ihrer Beeinträchtigungen fraglich, ob sie überhaupt eine Ausbildung schaffen. Sicher ist aber: Im BBW wird alles versucht, ihnen den Berufseinstieg und damit Teilhabe zu ermöglichen. Fachlich gut vernetzt Dabei hat sich das BBW mit Kliniken, Therapeuten, Jugendpsychiatern und anderen Fachleuten bestens vernetzt. So ist man Mitglied im Kompetenznetzwerk Autismus Bodensee-Oberschwaben und richtet jedes Jahr dessen Fachtag aus. Darüber hinaus ist das BBW derzeit dabei, in einem Fachausschuss zusammen mit anderen Berufsbildungswerken und dem Elternverein Autismus e. V. ein Qualitätssiegel für Berufsbildungswerke in Sachen Autismus zu entwickeln und damit eine Zertifizierung zu ermöglichen, berichtet Dr. Thelemann. Schon jetzt eilt dem BBW in Sachen Autismus ein sehr guter Ruf voraus. Die Folge: Aus dem ganzen Bundesgebiet kommen mittlerweile betroffene Jugendliche zur Ausbildung ins Ravensburger Berufsbildungswerk. 64 65
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