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Jahresbericht 2015 der Stiftung Liebenau

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Der Jahresbericht 2015 der Stiftung Liebenau informiert über die Aufgabenfelder, die Organisation und Unternehmenskennzahlen.

Altenhilfe Kleine

Altenhilfe Kleine Häuser – ganz persönlich Menschen brauchen andere Menschen – auch im Alter. Beim Begriff Pflegeheim denken aber viele an Einsamkeit und Abgeschobensein. Mit der Realität in den Einrichtungen der Altenhilfe der Stiftung Liebenau hat dieses Bild nichts zu tun. Ihre überschaubaren Häuser, die in die jeweilige Kommune eingebettet sind, bieten viele Kontaktmöglichkeiten. Angehörigen und Gemeindemitgliedern stehen sie jederzeit offen. Für individuelle Bedürfnisse bieten sie viel Freiraum. Ein Beispiel: das Haus St. Martin in Friedrichshafen-Ailingen. Im Kreis sitzen zwölf Senioren. Gegenseitig sollen sie sich den weichen Ball zuwerfen und dabei Tiere mit wechselnden Anfangsbuchstaben nennen. Beim nächsten Mal sind Vornamen das Thema. Kurzweilig sind die Übungen. Rasch ist die Gymnastikstunde um. Bis zum Mittagessen bleibt noch etwas Zeit. Maria Metzger kehrt für eine Weile in ihr Zimmer zurück. Traumhaft ist der Blick aus ihrem Fenster: Alpenpanorama, soweit das Auge reicht. Ein Stück vom Bodensee ist zu sehen. Über dem kreist ein Zeppelin am blauen Himmel. Seit Anfang Dezember 2014 wohnt die Seniorin im Haus St. Martin in Ailingen. „Ich habe hier alles, was ich brauche“, sagt sie überzeugt und zufrieden. „Am Anfang“, sagt sie und stockt dabei etwas, „da dachte ich: Jetzt werde ich abgeschoben.“ Doch dann erhellt sich ihr Blick. „Das hat sich aber ganz schnell geändert.“ Schon nach einer Woche habe sie sich pudelwohl gefühlt in dem neuen Haus. „Die Mitarbeiter sind alle freundlich und hilfsbereit. Sie nehmen einen auch mal in den Arm und sagen, das schaffen wir schon. Alle“, sagt die zierliche Dame mit Nachdruck, „alle sind sehr nett. Keinen kann man ausschließen.“ Ihre Tochter und ihr Sohn, die für die 78-Jährige das Haus ausgewählt haben, kommen sie regelmäßig besuchen. Meist täglich im Wechsel. Außerdem hat sie seit ihrem Einzug auch Freundschaften geschlossen. „Dann fahre ich mal nach hinten, um einen Besuch zu machen“, erläutert sie den Ausflug im Haus mit dem Rollator. Größere Zufriedenheit Bei der Entwicklung des Konzeptes der kleinen Häuser standen für die Verantwortlichen die Einbindung in die Gemeinde und das Leben in kleineren Einheiten im Mittelpunkt. „Wir sind uns sicher, dass sich ältere Menschen in überschaubaren Wohneinheiten wohler fühlen“, erklärt Stefanie Locher (Geschäftsführerin der deutschen Altenhilfe der Stiftung Liebenau). „Das familienähnliche Zusammenleben wirkt der Vereinsamung entgegen. Es bietet den Bewohnern ein hohes Maß an Lebensqualität.“ Stefanie Locher nennt auch Gründe, die gegen eine Standortwahl sprechen können und die auch schon zur Ablehnung geführt haben: wenn etwa ein mögliches Grundstück auf der „Grünen Wiese“ zu abgelegen ist oder wenn in der Gemeinde kein geeignetes Grundstück mit etwa 3 000 Quadratmetern zur Verfügung steht. In zu kleinen Gemeinden mit unter 3 000 Einwohnern kann das Konzept aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht verwirklicht werden. Auch Anfragen aus Bundesländern, in denen es keine Pflegeheime der Liebenauer Altenhilfe gibt, können oft nicht positiv beschieden werden. Wirtschaftlichkeit und Synergieeffekte sind erst im Verbund von zwei bis drei Häusern gegeben. In einer Pilotstudie der Dualen Hochschule Stuttgart wurden bei Befragungen von Angehörigen in sieben Häusern Tendenzen deutlich, die für kleinere Wohngemeinschaften sprechen. Bei der Pflege und Betreuung zeigten sie eine höhere Zufriedenheit als in klassischen größeren Pflegeheimen. Zu den positiv bewerteten Punkten gehören unter anderem die Verlässlichkeit und das Eingehen auf die Wünsche der Bewohner ebenso wie die Möglichkeit, die eigenen Gewohnheiten auszuleben und die Zuwendung der Mitarbeiter. Offene Türen Von ihrer Ausbildung und ihrer Berufserfahrung kennt die Pflegedienstleiterin Nicole Goeft größere Häuser. Der Unterschied liegt für sie klar auf der Hand: „Es ist viel persönlicher hier. Man kennt die Angehörigen schnell, die aus- und eingehen.“ Überhaupt stehen die Türen für Angehörige immer offen, was auch oft genutzt wird. Vor allem wenn es einem Elternteil nicht gut geht, bleiben manche auch mal bis in die Nacht hinein. „Die Angehörigen bewegen sich bei uns im Haus ganz frei.“ Welchen Spielraum Bewohner und Angehörige haben, beschreibt ein nicht ganz gewöhnliches Beispiel einer Frau, deren Lebensgefährte im Haus lebt. „Bei ihren Besuchen nutzen die beiden die Möglichkeit, gemeinsam zu kochen“, erklärt Nicole Goeft. Voraussetzung sei selbstverständlich, dass die Wohnküche frei ist. Eine Freiheit, die dem Paar ein großes Stück Autonomie beschert. 36 Menschen leben im Haus St. Martin. Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter ist Ansprechpartner für die „Das familienähnliche Zusammenleben wirkt der Vereinsamung entgegen. Es bietet den Bewohnern ein hohes Maß an Lebensqualität.“ Stefanie Locher, Geschäftsführerin „Es ist viel persönlicher hier. Man kennt die Angehörigen schnell, die aus- und eingehen.“ Nicole Goeft, Pflegedienstleiterin, Haus St. Martin, Ailingen Bewohner und die Angehörigen, was nicht nur Maria Metzger sehr schätzt. Zum Konzept der „Kleinen Häuser“ gehört, dass sie zentral liegen und dass sie offen sind. Dadurch sind auch Kontakte nach außen möglich. Bäcker und Geschäfte können von den mobilen Bewohnern auch zu Fuß erreicht werden. Die Bewohner gehen mindestens jede zweite Woche mit Begleitung auf den örtlichen Wochenmarkt. Maria Metzger, die wegen ihrer Parkinson-Erkrankung nicht mehr sehr gut zu Fuß ist, wird zum Friseur begleitet. Ist ihre Frisur gerichtet, erhält die Wohngemeinschaft einen Anruf, dass sie jemand abholen kann. Ins Haus kommen auch ehrenamtlich Engagierte. Eine Frau hilft zum Beispiel beim Servieren des Mittagessens. Eine andere kommt zu Besuch und unterhält sich mit einzelnen Bewohnern. Die katholischen und evangelischen Pfarrer übernehmen seelsorgerische Aufgaben und gestalten regelmäßig Gottesdienste im Haus. Diese werden gerne auch von externen Gemeindemitgliedern besucht. Beim Sommerfest singen Kindergartenkinder und bieten auch unter dem Jahr Gesangseinlagen. Der Männer-Chor und eine Ziehharmonika- Spielerin kommen ebenfalls ins Haus. Jahreszeitliche Feste bieten Gelegenheit zum regen Austausch zwischen den Bewohnern von Haus St. Martin und Gemeindemitgliedern. Was Angehörige zufrieden macht: • Gute Wohnbedingungen • Freundlichkeit der Mitarbeiter • Zuwendung der Mitarbeiter • Möglichkeit individuelle Gewohnheiten zu leben (aus: Prof. Dr. Anke Simon: Subjektive Versorgungsqualität in Pflegeheimen des alternativen Hausgemeinschaftskonzepts. Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart 2014; S. 344–350) 38 Altenhilfe Altenhilfe 39

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