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Auf Kurs 01/2020

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Durch die Corona-Krise

Durch die Corona-Krise Wieder ein bisschen Normalität März 2020 – und plötzlich war alles anders. Die Corona-Pandemie stellte auch den Ausbildungs- und Berufsschulalltag im Liebenau Berufsbildungswerk völlig auf den Kopf. Unterrichtsräume waren über Wochen geschlossen, die Werkstätten und Ausbildungsbetriebe dicht. Stattdessen war Heimlernen angesagt. Mit großem Engagement setzte das BBW alles daran, dass seine ohnehin benachteiligten Jugendlichen nicht zu den Verlierern der Krise werden. „Mir ging es soweit ganz gut. Aber das Gemeinschaftliche hier habe ich schon vermisst“, sagt die angehende Verkäuferin Johanna Friesen und spricht damit allen BBW-Azubis aus der Seele. Sie freuten sich, endlich wieder ihre Mitschülerinnen und -schüler zu sehen und zurück am gewohnten Ausbildungsplatz zu sein. So hatten im Zuge der landesweiten Schulschließungen die beiden Sonderberufsschulen des BBW – die Josef-Wilhelm-Schule in Ravensburg und die Max-Gutknecht-Schule in Ulm – den Präsenzunterricht eingestellt. Auch die praktische Ausbildung in den Werkstätten pausierte, die Verpflegungsangebote des BBW wie die Ausbildungsrestaurants in Ravensburg und Ulm sowie der Metzgerei- und Bäckereiverkauf in der Münsterstadt wurden ausgesetzt. Nach siebenwöchiger pandemiebedingter Heimlernphase im Frühjahr 2020 ist am BBW-Hauptsitz in Ravensburg der Alltag wieder schrittweise eingekehrt. Auch wenn er doch ziemlich anders aussieht als vor der Krise: Mund-Nase-Masken, Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen bestimmen das Bild. Zur Wiederöffnung wurden Klassen und Ausbildungsgruppen verkleinert, die Arbeitszeiten gestaffelt und eine Kombination von Präsenz- und Heimlernphasen eingeführt. Lösungen für Risikogruppen „Im Vordergrund steht der Gesundheitsschutz für alle“, erklären die BBW-Geschäftsführer Christian Braun und Herbert Lüdtke. So hat man für Angehörige von Covid-19-Risikogruppen individuelle Lösungen gefunden. Eine Teilnehmerin wurde zum Beispiel in einer BBW-Außenwohnguppe entsprechend begleitet, eine Auszubildende aus der Hauswirtschaft, wegen mehrerer Grunderkrankungen auch besonders gefährdet, weiterhin zuhause betreut – via Internet (siehe Seite 14). Zudem bekam sie Lernpakete zugeschickt. „Lernpakete“ für zuhause So lief es auch für die anderen BBW- Azubis während der Schließungsphase: Per E-Mail, Post oder über eine digitale E-Learning-Plattform wurden sie mit Aufgaben versorgt und dabei nicht nur fachlich, sondern auch sozialpädagogisch und psychologisch betreut. „Wir haben versucht, zu allen Teilnehmenden den Kontakt zu halten“, sagt Oliver Schweizer, Leiter der Abteilung Bildungsbegleitung. Je nach Beeinträchtigung und sozialem Hintergrund kamen die Jugendlichen mit der Ausnahmesituation ganz unterschiedlich klar. Der plötzliche Wegfall der Alltagsroutine traf nicht zuletzt die jungen Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung besonders. „Für sie haben wir Pläne zur 12 1|2020

Durch die Corona-Krise Tagesstrukturierung erstellt“, berichtet Oliver Schweizer. BILDSCHIRM STATT KLASSENZIMMER Plötzlich kein „offenes“ Haus mehr Plexiglasscheiben, Bodenmarkierungen, eine „Eingangsschleuse“, in der die Azubis von ihren Ausbildern abgeholt und zum Arbeitsplatz begleitet werden: Auch 100 Kilometer nördlich von Ravensburg im zum BBW gehörenden Regionalen Ausbildungszentrum (RAZ) Ulm ist das Corona-Schutzkonzept überall sichtbar. Nach mehrwöchiger Anlaufphase bekamen alle Jugendlichen wieder Präsenzzeiten in der Ausbildung, und Kooperationen mit Betrieben konnten wieder aufgenommen werden. „Die Normalität blitzt schon wieder ein bisschen durch“, sagt Einrichtungsleiter Johannes Hettrich. Dabei war das RAZ in Vor-Krisenzeiten ein „offenes Haus“, in dem Gäste ein- und ausgingen – um sich an den Verkaufstheken bei den Azubis mit einem Imbiss oder frischen Backwaren zu versorgen. Solange der Publikumsverkehr noch nicht wieder möglich ist, wird improvisiert: mit einem Abhol- und Lieferdienst. So können die angehenden Fachkräfte aus Backstube, Metzgereiladen und Küche weiterhin wichtige Praxiserfahrungen für den späteren Job sammeln. (ck) Bildschirm statt Werkstatt in Corona- Zeiten: Auch für die Azubis aus dem Kfz-Bereich des BBW war Heimlernphase angesagt. Und für ihren Ausbilder Martin Dorn: Homeoffice. Von zuhause aus betreute er seine 20 Jugendlichen und kämpfte zunächst mit Anfangsschwierigkeiten. Der eine hatte keinen PC zuhause, beim anderen haperte es bei der Internetverbindung. „Wir mussten individuelle Lösungen finden“, so Martin Dorn über die plötzliche Umstellung des Ausbildungsbetriebs von analog auf digital: „Es hat etwa zwei Wochen gedauert, bis alles im Fluss war.“ Doch dann funktionierte es. Das meiste lief letztendlich übers Smartphone. Aufgaben wurden hin und hergeschickt, YouTube-Videos verlinkt, Rückfragen telefonisch oder im Chat beantwortet. Jeden Morgen versorgte Dorn seine Azubis mit neuem Lernstoff. Klar: An Autos herumschrauben, das fiel während der Schließung der BBW-Ausbildungswerkstatt wochenlang komplett flach. Damit jedoch neben der Theorie auch das Praktische nicht zu kurz kam, griff Martin Dorn auf eine spezielle Online-Plattform zurück. Dort kann zum Beispiel ein Wechsel der Scheinwerferlampe am Bildschirm geübt werden. Nicht nur die Werkstätten, auch die Klassenzimmer in der Josef-Wilhelm- Schule des BBW blieben wochenlang leer. Lehrerin Karen Hotz-Krumm (siehe Foto) schrieb an jede Schülerin und jeden Schüler ihrer Klassen einen persönlichen Brief, dass sie sich sehr aufs Wiedersehen freue und alle durchhalten sollen. Bei den einen klappte das Lernen von zuhause aus gut, von manchen Jugendlichen gab es kaum Rückmeldung. Und es gab welche, die sich richtig Sorgen machten. Sie hatten Angst, etwas zu verpassen, wenn der Unterricht nicht wie gewohnt stattfindet. „Alle sprechen momentan von Digitalisierung. Das ist auf der einen Seite auch gut so. Aber speziell für unsere Klientel im BBW ist der persönliche Kontakt wichtiger denn je. Alle sind unterschiedlich, und als Lehrerin kann ich mich auf jeden persönlich einstellen“, betont Karen Hotz- Krumm. Und so habe sie sich auch sehr auf den Moment gefreut, wieder vor der Klasse stehen zu können. 1|2020 13

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