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Auf Kurs 01/2015

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Guck Bildungsgeschichten

Guck Bildungsgeschichten mal Wie sich ein Asperger-Autist im BBW seinen Berufswunsch erfüllte „Ich will Gärtner werden – und sonst nix“ 4 | Auf Kurs 1-2015 Jetzt ist BBW-Absolvent Markus S. da, wo er hinwollte: Als fertig ausgebildeter Gärtner hat er einen festen Job in einem Betrieb, der ihn seit Jahren kennt. Damit es überhaupt zu dieser Erfolgsgeschichte kam, mussten die Rahmenbedingungen jedoch hundertprozentig stimmen. Denn Markus S. ist Asperger- Autist. Mit einem Praktikum vor ein paar Jahren fing eigentlich alles an. Markus S. kam zum Schnuppern in einen Gartenbaubetrieb im Landkreis Ravensburg. Grünflächen anlegen und pflegen, Pflastern, Außenanlagen gestalten, mit Pflanzen umgehen. Der junge Mann fühlte sich von Anfang an wohl, auch sein Chef glaubte an ihn, stieß aber an seine Grenzen. Zu groß war der Aufwand, den Asperger-Autisten selbst als Lehrling aufzunehmen. Ein Anruf im BBW bei Bildungsbegleiterin Ursula Baldauf folgte: „Ich kann ihn hier leider nicht ausbilden, das müsst Ihr machen“, meinte der Unternehmer. „Aber ich glaube, in dem Kerle steckt was.“ Und so kam der Stein ins Rollen. Es gab Gespräche mit der Bundesagentur für Arbeit, diese gab grünes Licht für die entsprechende Finanzierung. Der Weg zur Berufsausbildung war frei. Die Job-Wahl war für Markus S. von vorneherein klar gewesen: „Ich will Gärtner im Garten- und Landschaftsbau werden – und sonst nix.“ Die körperliche Arbeit im Freien, das war sein Ding. „Und dann haben wir damit angefangen, ein Gesamtpaket für Markus zu schnüren“, erinnert sich Ursula Baldauf. Wir, das sind die Sonderberufsschule des BBW, die Josef- Wilhelm-Schule, die Psychologen vom Fachdienst Diagnostik und Entwicklung, sowie die Fachkräfte in der Ausbildung. „Alle waren mit im Boot.“ Auch das BBW-Wohnheim, wo Markus ein neues Zuhause fand. Selbst wenn er sich dort mit sozialen Kontakten zurückhielt und nur wenig Freundschaften mit Gleichaltrigen schloss, so war es für seine Entwicklung doch wichtig, dass ihm auch abseits von Schule und Ausbildung jemand zur Seite stand. „Die Gefahr der Vereinsamung wäre sonst hoch gewesen“, sagt Baldauf. „Übersetzer“ sind gefragt So groß das Know-how im BBW selbst im Umgang mit Asperger-Autisten ist – derzeit werden dort über 60 Jugendliche mit dieser Störung betreut, so überfordert sind oft andere Menschen. Immer wieder müssen Ursula Baldauf und ihre Kollegen als „Übersetzer“ auftreten, um die ganz typischen Missverständnisse auszuräumen. Bei Markus S. war das nicht anders. Seine Bildungsbegleiterin erinnert sich an viele Situationen. Zum Beispiel, wenn externe Prüfer ihm Aufgaben stellten und er einfach etwas anderes machte, weil die Anweisungen nicht klar waren. Oder wenn er sich in die Enge gedrängt fühlte und dann scheinbar unfreundlich und unwirsch reagierte. Der Bedarf an solchen Übersetzungshilfen zog sich durch die ganze Ausbildung und wird auch danach nicht aufhören. Baldauf: „Es ist immer die Gefahr bei Asperger- Autisten, dass sie sich durch ein aus Sicht der anderen unverständliches Verhalten ungewollt ins Aus befördern.“ Aufregend wurde es auch, wenn Markus S. zuweilen das „schützende“ Dach des BBW verlassen musste, um die vorgeschriebenen einwöchigen Spezialkurse – zum Beispiel Sein Berufswunsch wurde Wirklichkeit: Markus S. hat seine Ausbildung im BBW erfolgreich abgeschlossen und arbeitet nun als Gärtner. Foto: Photographee.eu (Fotolia.com)

zum Thema Steinbearbeitung – in Heidelberg und Kirchheim/Teck zu besuchen. Seine Bildungsbegleiterin hatte das Ganze jeweils gut vorbereitet, im Vorfeld die Schulen auf die Besonderheiten des Teilnehmers aus dem BBW hingewiesen und mit Markus alles Nötige vor der Zugfahrt besprochen. „Trotzdem habe ich mit Bauchweh darauf gewartet, dass er gut ankommt.“ Er kam jedes Mal gut an. Und mit jedem Kurs wurde das Bauchweh weniger. Und immer klarer wurde auch: „Er kann die Ausbildung und den Sprung ins Arbeitsleben schaffen, aber er wird immer Unterstützung brauchen“, so Baldauf. Und das mehr in Alltagsdingen, in persönlichen Angelegenheiten. Die schulische Prognose war von Anfang an gut gewesen: Mathe und Deutsch? Kein Problem. Sich botanische Namen einzuprägen? Erst recht nicht. Den Hauptschulabschluss hatte er ja bereits in der Tasche, als er ins BBW gekommen war. Und so absolvierte er dort gleich die Vollausbildung zum Gärtner für Garten- und Landschaftsbau – anstatt die theoriereduzierte Form des Gartenbaufachwerkers. Fester Job und Platz in Gastfamilie Immer wieder ging Markus S. zu Praktika zurück in seinen angestammten Betrieb. „Es war ihm und uns wichtig, den regelmäßigen Kontakt zu halten“, betont Baldauf. „Sie wussten ja mittlerweile genau, wie man ihn zu nehmen und auf seine persönlichen Eigenheiten einzugehen hat.“ Und so war auch klar, wohin ihn sein beruflicher Weg nach der Ausbildung führen würde: Diese Firma musste es sein, „Es wäre sehr schwierig geworden, ihn dauerhaft irgendwo anders unterzubringen“, sagt Ursula Baldauf und ist froh, dass alles geklappt hat. Zunächst die Abschlussprüfungen und dann auch die anschließende Vermittlung in den Job. Auch darüber hinaus wurden die Weichen für eine gute Zukunft gestellt: Markus S. wohnt jetzt in einer Gastfamilie, hat dort den nötigen privaten Anschluss und wird zugleich in seiner Selbstständigkeit gefördert. Ja, in dem Kerle steckte tatsächlich was. Und dank Unterstützung durch das BBW konnte er das beweisen. Christof Klaus Nachgehakt bei Ursula Baldauf „Leichte Fälle gibt es fast nicht mehr“ BBW-Bildungsbegleiterin Ursula Baldauf. Foto: Klaus Frau Baldauf, Sie waren die Bildungsbegleiterin von Markus S. im BBW. War er ein besonders förderintensiver Fall für Sie? Leichte Fälle gibt es im BBW eigentlich fast nicht mehr. Insgesamt ist der Unterstützungsaufwand für unsere Teilnehmer in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Und Markus gehörte sowieso aufgrund seiner Beeinträchtigung zu jenen Jugendlichen, die eine besonders intensive Begleitung brauchen. Vor Prüfungssituationen etwa, aber auch im persönlichen und privaten Bereich. Am Ende der Ausbildung habe ich ihn zum Beispiel zu allen Ämtern begleitet, ihn bei der Beantragung eines Schwerbehindertenausweises unterstützt und seinen Wechsel in die Gastfamilie gemeinsam mit der St. Gallus-Hilfe der Stiftung Liebenau organisiert. Ja, insbesondere am Schluss war die Betreuung schon sehr eng. Wie wichtig war für Markus dieses Gesamtpaket an Unterstützung? Es war das Zusammenspiel aller Beteiligten, das den Ausbildungserfolg ermöglicht hat: vom Praktikumsbetrieb über die Lehrer, Ausbilder, Wohnheimmitarbeiter und Fachdienste im BBW selbst bis hin zur Arbeitsagentur als Kostenträger, die auch über die Ausbildung hinaus ihre Unterstützung zugesagt hat. Markus hat im BBW genau die Hilfe bekommen, die er braucht. Ein großer Vorteil war für ihn auch die Beschulung hier in unserer Josef-Wilhelm-Schule, die den Unterricht vor Ort ermöglicht hat – obwohl er als einziger in seinem Bereich den Vollberuf erlernte. Das war natürlich optimal. Denn sonst wäre er in einer öffentlichen Berufsschule gelandet – in einer wesentlich größeren Klasse und ohne die Einzelförderung, die es für ihn im BBW gab. Und ohne die ganz speziellen Rahmenbedingungen, die ein Asperger-Autist benötigt: das Verständnis der Ausbilder, die kurzen Wege zum Psychologen und so weiter. Das spricht eben absolut für eine Komplexeinrichtung, wie es das BBW ist. Aber entscheidend war auch noch etwas anderes. Und zwar? Das Engagement von Markus selbst. Das Ganze hat nur funktioniert, weil er so gut mitgemacht hat. Weil er erkannt hat, dass er die Unterstützung braucht, und weil er diese auch angenommen hat. Auf Kurs 1-2015 | 5

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