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Anstifter 3, 2022 der Stiftung Liebenau

Von Respekt getragen:

Von Respekt getragen: Für Holger Zielonka ist respektvoller Umgang im Team wichtig. Der Erfolg stellt sich dann - fast automatisch - ein. Wertschätzung als Rezept Eine erfolgreiche Phase erleben seit einiger Zeit die Kickerinnen und Kicker vom Fachzentrum in Rosenharz. Ihre letzten Turniere von Special Olympics in Wilhelmsdorf 2020 und Kressbronn 2022 gewannen sie jeweils in ihrer Leistungsklasse. Nun wurde der FC Rosenharz im September in Stuttgart außerdem Landesmeister Baden-Württemberg 2022 in der Kategorie D der Special Olympics. Trainer Holger Zielonka spricht über das Rezept für diesen Erfolg. Herr Zielonka, wie kommt es, dass die Fußballmannschaften aus Rosenharz so erfolgreich sind? Eigentlich ist es ganz einfach: Empathie, gegenseitiger Respekt und Achtung, ausgesprochenes Lob, Anerkennung, Wertschätzung, Spaß am gemeinsamen Fußballspielen und eine Kommunikation auf Augenhöhe sind für mich Grundlage für die steigende Erfolgskurve. Diese Werte versuche ich den Spielerinnen und Spielern nicht nur vorzuleben, vielmehr ermutige ich sie, sie im Training und bei Turnieren ebenfalls weiterzugeben. Ist es in der Praxis so einfach, wie es sich anhört? Mittlerweile verzichte ich fast komplett auf Kritik und den Fokus auf Defizite. Ich kann meine Spielerinnen und Spieler entweder entmutigen, in dem ich ihnen immer wieder ihre Fehler und Schwächen aufzeige. Ich kann sie aber auch ermutigen, in dem ich sie wertschätze, unabhängig davon, was sie können und leisten. Ich lege den Fokus auf die positiven Aspekte, hebe diese hervor und versuche in vielen Einzelgesprächen mitzuteilen, dass jeder wertvoll ist. Es ist für mich immer wieder faszinierend zu sehen, wie sie dann mit erhobenem Haupt, geschwellter Brust auf dem Platz stehen und Dinge aus sich herausholen, die ich – und auch sie selbst – nie für möglich gehalten hätte: Einfach, weil sie wissen, dass da draußen jemand steht, der an sie glaubt. Ich bin immer wieder überwältigt davon, welche Leistungen die Aktiven bringen: Jeder Einzelne und jede Einzelne in meinem Team hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht, ist über sich hinausgewachsen, hat teilweise über den eigenen Möglichkeiten gespielt. Warum ist Ihr Ansatz heute besonders bedeutsam? Die Zeit, in der wir leben, ist schwer genug, vor allem auch für Menschen mit Assistenzbedarf. Wenn beispielsweise in den sozialen Medien jemand einen kleinen Fehltritt macht, von irgendwas abweicht oder anders ist, wird gleich verbal draufgehauen. Schlagwort „Hatespeech“. Ich bin davon überzeugt, dass es in Zeiten von Krieg, Unsicherheit und Angst, in Zeiten der Pandemie mit Lockdowns und Abstand vonnöten ist, sich bewusst zu machen, dass das Gegenüber keine Gefahr ist, sondern eine Bereicherung. Dass wir neu lernen müssen, wieder aufeinander zuzugehen. Wir alle brauchen mehr denn je das Gefühl, wahrgenommen, angenommen, wertgeschätzt und geliebt zu werden. Jeder kann dazu seinen Beitrag leisten, jeden Tag im eigenen Umfeld. Dazu braucht es wahrlich nicht viel: etwas Mut und die Bereitschaft, empathisch aufeinander zuzugehen. Und das Beste daran ist, dass man selbst profitiert und beschenkt wird, in dem man andere Herzen berührt, die sich öffnen, was Begegnung und Gemeinschaft und tiefe Freude hervorruft. Ich bin dankbar, diesen Job als Fußballtrainer in Rosenharz mit so wundervollen Menschen machen zu dürfen. (ao) 16 anstifter 3 | 2022

Schwerpunkt Hier geht’s „up“ Liebenauer Nähwerk bietet interessante Arbeitsplätze und Upcycling-Produkte Im Neusprech könnte man das Liebenauer Nähwerk womöglich als Start-up bezeichnen: Innovativ und neuartig. Den Kinderschuhen ist es mittlerweile aber schon entwachsen. Heute bildet es einen weiteren wichtigen Bereich der Liebenau Service mit interessanten Arbeitsplätzen für Menschen mit Unterstützungsbedarf. Die Idee des Upcylings steht für das Nähwerk im Mittelpunkt. DamianLN war der Erste im Bunde, ein Shopper aus Bauzaunbannern. Die Baugenossenschaft Familienheim Villingen-Schwenningen wollte das wertige Material nach einem Bauabschluss weiter nutzen, Taschen sollten daraus werden. Für die Verantwortlichen der Liebenau Service war bei der Anfrage sofort klar: „Den Auftrag müssen wir machen,“ schildert Claudia Graßmann, damals als Projektleitung für das Nähwerk verantwortlich. Und: „Wir haben es gemeinsam hinbekommen“, lobt sie das Team aus Menschen mit und ohne Behinderungen. In kurzer Zeit entstanden 280 Taschen, damals noch mit Haushaltsnähmaschinen genäht, was für sich schon eine Leistung ist. Gabi Fürgut ist eine Näherin der ersten Stunde. Sie bearbeitet Aufträge von Anfang bis zum Ende selbst. „Gabi näht sehr gut,“ lobt Schneidermeisterin Johanna Renz ihre Fähigkeiten. Die Frage, ob ihr die Arbeit Spaß mache, beantwortet Gabi Fürgut mit einem kurzen „Ja“ und einem zufriedenen Lächeln. Heute arbeiten zehn Personen dauerhaft im Nähwerk, sechs von ihnen mit Unterstützungsbedarf. Meist laufen mehrere Aufträge parallel. Nieten stanzen, nähen, messen: Jede und jeder der Beschäftigten bringt seine Fähigkeiten ein. Aktuell wurden mehrere hundert Tagungsmappen aus Bannermaterial für Unterlagen gefertigt: Empfänger ist die angesehene Tagung der Nobelpreisträger in Lindau. Berühmter Kunde: Tagung der Nobelpreisträgerg Das Nähwerk hat sich inzwischen einen Namen gemacht. Eine gewaltige Leistung wuppte es beim ersten Lockdown Anfang 2020. Innerhalb kurzer Zeit nähte man 14 000 Masken, als schnell klar war, dass es am Markt zu wenig Schutzmaterial gibt. „In Nullkommanichts haben wir eine Serienproduktion mit 40 Leuten aufgebaut,“ schildert Graßmann. Es wurden Päckchen mit Stoffen und Schrägband geschnürt und an Mitwirkende zuhause verteilt. Es sei eine aufregende Zeit, positiver Stress bei allen gewesen, trotz der pandemiebedingten allgemein bedrückenden Ungewissheit. Dieser Erfolg hat dem Liebenauer Nähwerk dann auch ein Gesicht in der Öffentlichkeit gegeben, reflektiert Graßmann. Zentral ist der Aspekt des Umwelt- und Ressourcenschutzes. Für das Upcycling stehen viele gebrauchte Materialen oder Reste zur Verfügung. Sie reichen von Gleitschirmseide über Lkw-Planen und Jutesackstoff bis hin zu regulärem Dekostoff. Die Kunst für die Fachkräfte besteht darin, Modelle entsprechend des Verwendungszwecks und des Materials zu entwerfen. Manche Auftraggebende setzen ihre Produkte selbst ab. Andere Produkte werden über Partner wie etwa Museen Gabi Fürgut ist von der ersten Stunde an Teil vom Nähwerk. Ihre Arbeit macht ihr ungebrochen Spaß. oder die Läden der Stiftung Liebenau vertrieben. Großgeschrieben werden im Team der intensive Austausch, Diskussionen und Probieren, wodurch einzigartige Produkte entstehen. Auch bei der Namensgebung kann sich jede und jeder einbringen. Shopper LiseLN heißt das derzeit populärste Modell. Für die Arbeit stehen längst Industrienähmaschinen, Overlockmaschinen und ein Industrieriegelautomat zur Verfügung. Sogar auf Instagram ist das Nähwerk unter @liebenauernaehwerk vertreten. Die Anfangsphase des Nähwerks ist vorbei, was weiterhin bleibt ist die Kreativität und Innovation. (ao) anstifter 3 | 2022 17

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