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Anstifter 3, 2016 der Stiftung Liebenau

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Der Anstifter ist die Hauszeitschrift der Stiftung Liebenau mit Themen aus den Bereichen Pflege, Teilhabe, Bildung, Gesundheit, Familie und Service.

Die beiden

Die beiden Zwillingsbrüder sind einander sehr vertraut: Ebubekir zupft Eymen gerne am Ohr. Es bleibt der Blick für das Gute Familien erhalten Unterstützung vom Liebenauer Netzwerk Familie von Helga Raible FRIEDRICHSHAFEN – „Hauptsache, gesund!“ So lautet der meist gehörte Wunsch werdender Eltern – der glücklicherweise meist auch in Erfüllung geht. Manchmal aber gibt es Komplikationen, eine Frühgeburt zum Beispiel oder der Verdacht auf eine Behinderung oder schwere Erkrankung. Dann brauchen Eltern und Kinder besondere Unterstützung. Unterstützung, die sie bei der Sozialmedizinischen Nachsorge der Stiftung Liebenau finden. Zusammen mit der Nachsorgeschwester Sibylle Stein haben wir eine Nachsorge-Familie besucht. Die sechsköpfige Familie Simsek lebt in Friedrichshafen. Die beiden Jüngsten, die Zwillinge Ebubekir und Eymen, kamen in der 26. Schwangerschaftswoche zur Welt, und die Familie wurde ein halbes Jahr lang vom Nachsorgeteam betreut. Noch heute besteht enger Kontakt, und Sibylle Stein wird entsprechend freudig begrüßt. Als wir kommen, liegen die beiden Jungen auf weichen Kissen im Wohnzimmer. Ebubekir, der Kleinere, strampelt vergnügt und reagiert interessiert auf die Besucher. Eymen ist ruhiger, beschäftigt sich hauptsächlich mit seinem Schnuller. Er ist blind, reagiert aber aufmerksam auf Geräusche. Die beiden sind einander sehr vertraut, zupfen sich gegenseitig an den Ohren, fassen den anderen am Arm. Die Zwillinge wurden mit dem „Transfusionssyndrom“ geboren, einer schwerwiegenden Durchblutungs- und Ernährungsstörung bei eineiigen Zwillingen, die sich im Mutterleib eine Plazenta teilen. Bei beiden Jungen hat das zu bleibenden Behinderungen geführt. Nach der Geburt waren Mutter und Kinder lange im Krankenhaus, und auch nach der Entlassung mussten die Kinder immer wieder stationär behandelt werden. Zu den medizinischen Problemen kamen Ernährungsschwierigkeiten. Und vor allem psychische Belastungen: „Ich hatte immer Sorgen, habe sehr viel geweint“, erinnert die Mutter sich. „Und auch jetzt ist die Sorge immer in meinem Kopf.“ Sibylle Stein hatte die schwere Aufgabe, den Eltern begreiflich zu machen, dass die Kinder eine Behinderung haben werden. „Es ist für Eltern ganz, ganz schwierig zu akzeptieren, dass ein Kind behindert sein – und bleiben – wird“, weiß die erfahrene Kin- 32 Kinder und Jugend

derkrankenschwester. Um die Familie zu entlasten, organisierte sie eine Haushaltshilfe, half bei der Beantragung von Schwerbehindertenausweis und Pflegestufe und erleichterte so die Umstellung auf die neue Lebenssituation. Hilfreich war das Liebenauer Netzwerk Familie: „wellcome“ schickte eine Ehrenamtliche, die auch heute noch über den Familienunterstützenden Dienst ein- bis zweimal in der Woche hilft, wo es nötig ist: Sie füttert die Zwillinge, geht mit ihnen spazieren, spielt mit ihnen. In der Frühförderstelle bekommen die Kinder Therapie, um Entwicklungsverzögerungen ein Stück weit nachzuholen. Die Eltern sind dankbar für die Hilfe. Mittlerweile haben sie die veränderte Lebenssituation akzeptiert. „Wir wissen, was in den nächsten Jahren auf uns zukommt“, sagt der Vater. Eymen und Ebubekir werden immer besondere Unterstützung benötigen, und die Sorge für sie wird den Familienalltag ein Leben lang prägen. Liebevoll spricht er davon, wie viel Unterstützung die beiden älteren Kinder, die 17-jährige Tochter und der 12-jährige Sohn im Alltag leisten – „viel mehr, als man von Kindern in diesem Alter erwarten kann.“ Auch seine Vorgesetzten hätten von Anfang an sehr verständnisvoll reagiert. Aber er kennt auch unsensible und unfreundliche Reaktionen: Nachbarn, die neugierig in den Kinderwagen blickten und fragten: „Welcher ist der Behin- derte?“. Anwohner, die sich beschweren, wenn die Mutter ausnahmsweise vor dem Haus parkt, um die Kinder hineinzutragen, bevor sie das Auto in die Tiefgarage fährt. Als wir uns nach zwei Stunden verabschieden, bleibt vor allem großer Respekt für diese Familie, für ihre Stärke. Dafür, dass die Eltern trotz großer Sorgen und alltäglicher Belastungen nicht den Blick für das Gute verlieren und so viel Zuneigung gegenüber ihren vier Kindern spüren lassen. Und es bleibt die Gewissheit, dass die Dienste im Liebenauer Netzwerk Familie dringend notwendig und gut eingesetzt sind. Familien wie die Simseks verdienen jede Unterstützung. Wenn nötig, ein Leben lang. Dienste wie die Sozialmedizinische Nachsorge, wellcome oder die Frühförderstelle sind dauerhaft auf Spenden angewiesen, weil es keine oder keine ausreichende Regelfinanzierung gibt. Spendenkonto Sparkasse Bodensee Stiftung Liebenau IBAN: DE35 6905 0001 0020 9944 71 Sibylle Stein von der Sozialmedizinischen Nachsorge unterstützte Familie Simsek von der Kinderklinik im häuslichen Alltag. Eymen Simsek auf dem Arm des Vaters. Er und sein Zwillingsbruder werden immer besondere Unterstützung benötigen. Fotos: Kästle Kinder und Jugend 33

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