Mit Empathie gegen die Eskalation Gezielte Strategien und ein „Methodenkoffer“ helfen, Konflikte zu vermeiden „Natürlich eskaliert es auch mal bei mir, ich bin ja kein Hexenmeister.“ Nein, mit Zaubersprüchen kommt Conny Gerson bei ihren Schülern nicht weiter. Seit 2014 ist sie Schulsozialarbeiterin an der Don-Bosco-Schule und fungiert als Ansprechpartnerin und Coach für Schüler und Lehrkräfte. Die Kinder und Jugendlichen, die auf dem Hegenberg die Schulbank drücken, haben einen „sonderpädagogischen Förderbedarf“, was für Laien ziemlich abstrakt klingt. „Unsere Schüler sind oft emotional traumatisiert und haben soziale Komponenten, wie Empathie, Frustrationstoleranz und Durchhaltevermögen, nur schwer entwickeln können. Genau daran arbeiten wir gemeinsam“, sagt Conny Gerson. Was das konkret bedeutet, erfährt Conny Gerson bereits an ihrem „ersten Schultag“, als im Klassenzimmer Stühle fliegen. „Die erste Zeit ist die knackigste, da testen die Schüler, ob du eine stabile Person bist und ob es sich lohnt, in eine Beziehung zu treten. Nur durch Vertrauen und diese Beziehung kommen wir überhaupt mit den Lerninhalten weiter“, sagt Gerson. Einen fachlichen Sprung machte sie im Jahr 2018, als sie eine Ausbildung zur Deeskalationstrainerin an der Akademie Schloss Liebenau besuchte. Der Ansatz der gut siebenmonatigen Ausbildung besteht darin, dass die beste Deeskalation die ist, die gar nicht benötigt wird. „Je besser wir mit Gefahrensituationen und deren Entstehung umgehen können, umso eher vermeiden wir psychische und physische Verletzungen auf beiden Seiten“, sagt Gerson. Als eine von 14 Teilnehmerinnen wurde auch Conny Gerson von den Dozenten regelmäßig an den Rand ihrer Komfortzone gebracht – und darüber hinaus. Die intensive Konfrontation gehört zum Konzept der vom Institut Professionelles Deeskalationsmanagement (ProDeMa) konzeptionierten Ausbildung. Den Arbeitsalltag erleichtern aber schon simple Kniffe. „Am Anfang haben wir Gesprächstechniken gelernt, die ich in der Schule gleich angewendet habe. Wenn man Wege kennt, Diskussionen zu umgehen, ohne seinen Standpunkt zu verlassen, bleibt auch der Konflikt aus“, sagt Gerson. Mit Empathie statt Konfrontation geht sie nun dem obligatorischen „Battle“ mit dem Rapmusik-Fan aus dem Weg, der regelmäßig den Schulhof beschallt hat. „Wenn ich ihm sage: ‚Coole Musik hörst du da, aber die Kleineren dürfen sowas doch gar nicht hören‘, wird die Musik runtergedreht.“ Im Zweifel sei es auch völlig okay, aus einer Situation herauszugehen, wenn die Emotionen hochschlagen. „Ich nehme das nicht persönlich, und es zeigt mir, dass eine Beziehung da ist, die demjenigen erlaubt, sich gehen lassen zu können. Wir brauchen anschließend aber auch die Zeit, den Konflikt zu klären und aufzufangen.“ Als zertifizierte Deeskalationstrainerin darf Conny Gerson ihr Wissen um die Strategien zur Konfliktvermeidung nun an das Kollegium der Don-Bosco-Schule weitergeben. Die erfahren dann, wie sie ihren persönlichen „Methodenkoffer“ sinnvoll erweitern können, genauso ist aber die Erkenntnis erlaubt, dass auf dem Hegenberg bereits über viele Jahre eine Menge richtig gemacht wird. (dk) 16 anstifter 2 | 2019
Schwerpunkt Gewalt – nein danke! Anti-Gewalt-Konzept greift im Berufsbildungswerk Kein Platz für Gewalt, Mobbing und Sachbeschädigung: Das Ravensburger Berufsbildungswerk (BBW) der Stiftung Liebenau tut stattdessen viel für ein faires und friedliches Miteinander – mit Erfolg. „Wir wollen, dass ihr euch hier sicher fühlt.“ Diese Botschaft richtet Oliver Schweizer, Leiter der Abteilung Bildungsbegleitung, bei jeder Aufnahmefeier an die versammelten Neuankömmlinge. Das heißt: „Gewalt hat bei uns keine Chance!“ Und bei diesen eindringlichen Worten bleibt es nicht. Das BBW lässt sich den Verzicht auf jegliche Gewalt von seinen Azubis auch schriftlich geben. Jeder Jugendliche muss zum Start seiner Maßnahme eine entsprechende Vereinbarung („Gewalt – nein danke!“) unterschreiben und damit die „Regeln für ein gewalt- und aggressionsfreies Lernen, Wohnen und Arbeiten“ anerkennen: Weder körperliche noch sprachliche, seelische oder sexuelle Gewalt wird akzeptiert. Auch ein „Nein“ zu Sachbeschädigungen steht in diesem Vertrag. Das Papier ist ein erster symbolischer Bestandteil der Anti-Gewalt-Konzeption des Berufsbildungswerkes. Dort legt man schon während der Berufsvorbereitung viel Wert auf die Förderung sozialer Kompetenzen und einen rücksichtsvollen Umgang mit anderen Menschen im Alltag. Auch später in der Ausbildung wird Gewaltprävention groß geschrieben. Gemeinsame Aufwärmtage mit erlebnispädagogischen Elementen legen die Grundlage für ein faires Miteinander. „Und wenn wir gewaltbereite Jugendliche unter unseren Teilnehmenden identifizieren, dann werden wir aktiv und reden mit ihnen“, erklärt Oliver Schweizer. Und wenn erforderlich, wird ihnen ein Antiaggressivitätstraining verordnet. Speziell geschulte Mitarbeitende arbeiten dann mit den jungen Menschen. Die müssen ihren guten Willen zeigen, sonst haben sie ein echtes Problem. Denn die klare Ansage lautet: „Wenn ihr nicht mitmacht, werfen wir euch raus.“ So weit kommt es aber sehr selten. Meist wirkt der Warnschuss, und die betroffenen Jugendlichen bekommen rechtzeitig die Kurve. Das Anti-Gewalt-Konzept – es umfasst unter anderem auch noch Präventivprogramme gegen Online-Mobbing oder Fremdenfeindlichkeit – wirkt also. „Wir haben hier ein gutes Miteinander“, sagt Schweizer stolz. Wenig Gewalt- ausbrüche, wenig Vandalismus, kein raues Schulhofklima wie vielleicht anderswo. Im Vergleich zu so manch anderer beruflichen Einrichtung oder Schule stehe man da sehr gut da, findet Schweizer. Und das, obwohl das BBW eine immer anspruchsvollere Klientel betreut: zum Beispiel Jugendliche mit psychischen Störungen, deren Belastbarkeit und Konfliktfähigkeit oft geringer ist und die dann vielleicht in Stresssituationen auch mal schneller „austicken“ oder sich selbst verletzten. Auch hier greift das Know-how des BBW. So bietet der hauseigene psychologische Fachdienst Gruppentrainings und Einzelcoachings an. Eine wichtige Rolle spielen nicht zuletzt Schweizers Kolleginnen und Kollegen von der Bildungsbegleitung mit ihrem guten Draht zu den jungen Menschen, denen sie während ihrer ganzen Zeit im BBW als erste Ansprechpartner zur Seite stehen – und ihnen auch mal bei privaten Problemen aus der Patsche helfen. Das BBW – ein friedliches Pflaster also? Wenn man sich bei den Jugendlichen auf dem Pausenhof umhört, bestätigt sich dieser Eindruck. Negative Erfahrungen mit Gewalt? „Nein“, meint ein 20-jähriger Zimmerer-Azubi: „Klar gibt es Leute mit einer großen Klappe, aber da steckt meistens nichts dahinter.“ Und ein 19-Jähriger betont: „Ich fühle mich absolut sicher hier.“ Und wenn mal was sein sollte, „dann wissen wir, zu wem wir gehen können“. Zwei Stimmen, die durchaus repräsentativ sind. Laut einer aktuellen Teilnehmerumfrage stehen zum Beispiel rund 80 Prozent der BBW-Jugendlichen zu der Aussage: „Im Alltag erfahre ich Respekt und fühle mich auf Augenhöhe mit meinen Mitmenschen.“ (ck) anstifter 2 | 2019 17
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