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Anstifter 2, 2015 der Stiftung Liebenau

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Der Anstifter ist die Hauszeitschrift der Stiftung Liebenau mit Themen aus den Bereichen Altenhilfe, Behindertenhilfe, Bildung, Gesundheit, Familie und Dienstleistungen.

Sich einfach zuhause

Sich einfach zuhause fühlen Zehn Jahre Hausgemeinschaften in der St. Anna-Hilfe Österreich von Elke Benicke STADL-PAURA – Seit zehn Jahren leben ältere Menschen in den neu erstellten Häusern der St. Anna-Hilfe in Stadl-Paura, Gmunden und Nüziders nach dem Konzept der Hausgemeinschaften in kleinen, familiären Gruppen. In der Wohnküche ihres Wohnbereichs kümmert sich eine Alltagsmanagerin um den Haushalt, ist ständige Ansprechperson. „Das Konzept hat sich bewährt“, resümiert Geschäftsführer Klaus Müller, „denn der Alltag selbst fordert die Menschen immer wieder aufs Neue.“ Ein Blick in die Hausgemeinschaft Gartenweg in Stadl-Paura bestätigt dies. Romy Rosenauer ist Alltagsmanagerin im Gartenweg, einer Hausgemeinschaft des Sozialzentrums Kloster Nazareth in Stadl-Paura. Gerade gibt es Frühstück. Flink bestreicht sie ein „Semmerl“ mit Butter und Marillenmarmelade, schneidet es klein, stellt es zum Kaffee auf ein Tablett und verschwindet in eins der Bewohnerzimmer. „Guten Morgen Pauli, guten Morgen Herr W.“, sagt sie fröhlich beim Eintreten. Ein Ehepaar? Nein, sie lacht: „Pauli, so heißt die Katze. Herr W. freut sich einfach, wenn ich ihr zuerst einen Alltagsmanagerin Romy Rosenauer wird in der Wohnküche der Hausgemeinschaft Gartenweg im Sozialzentrum Kloster Nazareth von einer Bewohnerin beim Kochen unterstützt. Foto: Peitler guten Morgen wünsche.“ Romy Rosenauer weiß, dass Herr W. am liebsten Marillenmarmelade isst und sein Semmerl aufgrund seiner Kaubeschwerden klein geschnitten sein muss. Und sie weiß, dass es ihre wichtigste Aufgabe ist, die individuellen Bedürfnisse und Wünsche „ihrer“ Bewohner zu kennen. Neuigkeiten vermerken die Mitarbeiter einer Hausgemeinschaft auf eigens dafür angelegten Karteikarten. Wieder zurück im Wohnbereich erkundigt sich Romy Rosenauer beiläufig, wie jeder geschlafen hat. Ein ausgiebiges Thema. Dann geht es ums Wetter. Auch dieses Thema kommt gut an, denn die Sonne strahlt durch den Wohnbereich. „Wie war das Wetter gestern?“, fragt Romy Rosenauer. Nun verdunkeln sich die Gesichter, doch einige erinnern sich schnell wieder: „Schee war’s, ja, Faschingsdienstag war!“ Dann gibt ein Wort das andere. Es geht um die Feier im Haus und die Krapfen, Details scheinen weniger wichtig als Gefühle, doch die Alltagsmanagerin fragt trotzdem nach. Frau F. weiß noch, dass die „Ebenseer Fetzen da war’n und Musi g’macht ham“. Die meisten der älteren Menschen stammen aus der Region, kennen den Ebenseer Fasching von klein auf. „Erinnerungsarbeit und Gedächtnistraining erledigen wir ganz nebenbei“, lacht die Alltagsmanagerin. Es wird Zeit, das Mittagessen vorzubereiten. Geschäftig schält Romy Rosenauer Kartoffeln, rührt immer mal wieder in einem der drei großen Töpfe, in denen es zischt und köchelt und hackt zwischendurch noch kurz die Zwiebeln. Heute gibt es Kartoffeln, dazu gebratenes Forellenfilet und vorher eine Grießnockerlsuppe. Aufgrund ihrer Demenzerkrankung oder körperlicher Einschränkungen können die Bewohner dieser Wohngruppe nicht mehr aktiv an den Vorbereitungen beteiligen. Dabei sind sie trotzdem, denn sie sehen, hören und riechen, was vor sich geht. „Woher kommen die Forellen wohl?“, fragt die Alltagsmanagerin. Einige stellen Vermutungen an, alle sind sich schmunzelnd einig: „Na, aus der Traun wahrscheinlich ned!“ Um kurz vor zwölf richtet Romy Rosenauer die Teller. Sie weiß, wer etwas mehr isst, wer weniger, wer 22 Altenhilfe

Eine Hausgemeinschaft der St. Anna-Hilfe Österreich, hier im Haus St. Josef in Gmunden. Foto: Streif einen Teller mit Rand braucht, wer ohne klarkommt. Wenig später wird sowohl die Suppe als auch der Fisch mehrstimmig gelobt. Die Alltagsmanagerin freut sich: „Das Essen ist wichtig, ein Höhepunkt jeden Tag. Noch wichtiger aber ist, dass die älteren Menschen beim Kochen dabei sein können. Und dass sie einen Ansprechpartner haben, jemanden, mit dem sie reden können, einfach so, ohne großen Anlass.“ „Nach der Mittagsruhe gibt es Kaffee und Kuchen. Dann kommen auch viele Angehörige“, sagt Romy Rosenauer. „Sie schätzen sehr, dass es hier so familiär zugeht und sagen das auch. Wir binden sie ein und sie sind froh, wenn sie etwas tun können. Da sie sich meist im Wohnbereich aufhalten, profitieren auch die anderen Bewohnerinnen von ihrem Besuch.“ Ein Modell, das begeistert Die Fragen stellte Elke Benicke Klaus Müller, Geschäftsführer der St. Anna-Hilfe Österreich, ist überzeugt vom Konzept der Hausgemeinschaften. Foto: Kästle Mit der Realisierung des Hausgemeinschaftsmodells nimmt die St. Anna-Hilfe eine Vorreiterrolle in Österreich ein. Wie kamen Sie auf die Idee, dieses Konzept einzuführen? Damals haben wir von entsprechenden Modellen in Deutschland gehört und gelesen. Konkret kennengelernt haben wir das Konzept dann erstmals im Jahr 2003 beim Besuch der Bremer Heimstiftung und waren sofort begeistert. Seitdem setze ich das Modell um, wo immer das möglich ist: In allen neuen Häusern der St. Anna-Hilfe, demnächst in St. Gallenkirch, und in allen Häusern der Gesellschaften, für die ich Mitverantwortung übernommen habe: in den Häusern der Stiftung Helios in der Schweiz, der Casa – Leben im Alter in Wien und Umgebung und der Stiftung Elisabetta in Südtirol. Innerhalb der St. Anna-Hilfe haben wir die wesentlichen Punkte des Konzepts, das Wohnen in kleinen Gruppen rund um eine gemeinsame Küche, nachträglich auch auf schon bestehende Häuser übertragen. Warum hat Sie das Konzept so überzeugt? Unser Ziel ist es, den älteren, pflegebedürftigen Menschen ein Zuhause zu bieten, eine Umgebung, in der sie sich wohlfühlen. Früher hatten wir sehr viele Aktivitäten auf dem Programm. Doch in den Hausgemeinschaften erübrigt sich ein solcher Umfang an besonderen Programmpunkten. Aktivitäten ergeben sich von selbst und die Bewohner im Wohnbereich sind automatisch involviert, sehen, hören und riechen, was passiert. Ein großer Vorteil ist auch, dass die Alltagsmanagerin den ganzen Tag über präsent ist. So steht sie den Bewohnern, aber auch den Angehörigen als Ansprechpartnerin zur Verfügung. Solch ein ständiges Beieinandersein ist aber vielleicht nicht Sache jedes (älteren) Menschen, oder? Die Hausgemeinschaft ist nur ein Angebot. Jeder kann sich jederzeit auch in das eigene Zimmer zurückziehen. Auffällig ist, dass das die wenigsten wollen und machen. Altenhilfe 23

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