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Anstifter 2, 2015 der Stiftung Liebenau

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Der Anstifter ist die Hauszeitschrift der Stiftung Liebenau mit Themen aus den Bereichen Altenhilfe, Behindertenhilfe, Bildung, Gesundheit, Familie und Dienstleistungen.

Autonomie ist ein hohes

Autonomie ist ein hohes Gut: umso mehr, wenn Menschen auf Hilfe angewiesen sind. Foto: Kästle Autonomie stärken Ethikbroschüre setzt einen Werte-Prozess in Gang von Maria Schuster LIEBENAU – „Die Freiheit, über das eigene Handeln zu bestimmen, ist ein zentrales menschliches Grundanliegen und Bedürfnis. Dies muss und soll auch dann gelten, wenn jemand pflegebedürftig und dadurch von anderen abhängig ist.“ Dieser Leitgedanke der Broschüre „Autonomie stärken“ hat die Führungskräfte der Liebenauer Altenhilfe in Deutschland dazu motiviert und angespornt über die Bedeutung von Autonomie und Fürsorge nachzudenken. Daraus ist ein Handlungsleitfaden für den Alltag im Umgang mit kranken, alten und pflegebedürftigen Menschen entwickelt worden. „Was bedeutet Autonomie für pflegebedürftige Menschen? Was ist unter Fürsorge zu verstehen? Wie können konkrete Wünsche nach Selbstbestimmung im Alltag beachtet und wie muss die Organisation gestaltet werden? Welche Konflikte kommen auf die Pflege- und Betreuungsmitarbeiter zu? Wie reagieren Angehörige?“ Dies waren Fragen, die Führungskräfte bei ihrer Klausur 2011 diskutierten und mit denen der Prozess gestartet wurde. Mehrere regionale Leitungsklausuren folgten. Es wurden Grund- und Leitsätze für die tägliche Arbeit entwickelt. Nun galt es, diese doch sehr theoretischen Prämissen in der Praxis umzusetzen. Eine 91-jährige Frau hat keinen Lebenswillen mehr. Sie verweigert jegliche Nahrung und nimmt deswegen rasant ab. Die Pflegedienstleitung initiiert ein Gespräch mit den Angehörigen und dem Arzt. Vereinbart wird, dass ihr Nahrung angeboten wird, die sie gerne mag, um sie zu animieren. Sie wird nicht zum Essen gezwungen. Wegen ihrer klaren Willenserklärung wird ihr keine Sonde gelegt. Dieser Herausforderung haben sich Mitarbeiter im Qualitätsmanagement gestellt und einen „Handlungsleitfaden zur autonomiefördernden Pflege und Betreuungskultur“ entwickelt. Der Leitfaden gibt eine theoretische Einführung in das Thema Autonomie und Fürsorge. Er enthält die Grund- und Leitlinien, die auf den regionalen Klausuren entwickelt wurden. Der größte Teil des Handlungsleitfadens 14 Stiftung Liebenau

Ein hochbetagter Mann entschließt sich, in ein Pflegeheim zu ziehen. Dort möchte er so leben, wie er es bisher gewohnt ist. Er unternimmt viel außerhalb der stationären Einrichtung. Die Mitarbeiter wissen aber oft nicht, wo er ist und sind auch wegen seines gesundheitlichen Zustandes besorgt. Gemeinsam vereinbaren die Mitarbeiter und der Bewohner, dass er sich abmeldet, wenn er ausgeht, beziehungsweise nicht zum Essen da ist. sind methodische Zugänge zum Thema Autonomie und Fürsorge, um Mitarbeiter vor Ort für das Thema zu sensibilisieren. In regionalen Workshops Anfang 2013 machten sich alle Pflegedienstleitungen, Wohnbereichsleitungen, Hauswirtschaftsleitungen und Küchenleitungen mit dem Handlungsleitfaden vertraut. Sie wurden zu Multiplikatoren für ihre Teams geschult. Für jede Einrichtung entwickelte man einen eigenen Implementierungsleitfaden, der die spezifischen Gegebenheiten berücksichtigt. Mitarbeiter in Pflege, Betreuung und Hauswirtschaft erhielten Fortbildungen. Das Thema „Autonomie und Fürsorge“ wurde in die Pflegedokumentation, in Pflegevisiten, in Pflegeberatung, die Heimeinzugsintegration und Fallbesprechungen aufgenommen. Damit soll der Prozess im Alltag unterstützt werden und zur Diskussion und zum Austausch anregen. Wirkungen in die Pflegepraxis und Ausblicke Die Reflexion des Prozesses fand im Frühjahr 2014 statt: Die Einrichtungsleitungen haben festgestellt, dass ihre Mitarbeiter dem Thema mit großer Offenheit begegnen und in ihrem beruflichen Selbstverständnis den Schwerpunkt mehr auf die Wünsche und Selbstbestimmung der Bewohner als auf „Fürsorge“ legen. In jeder Fallbesprechung ist Autonomie ein wichtiger Gesichtspunkt geworden. Intensiv diskutierten Teams das Thema „freiheitsentziehende Maßnahmen“. Auch Angehörige und Ehrenamtliche wurden in diesem Thema geschult. Verstärktes biografisches Arbeiten, vor allem bei Bewohnern, die sich nicht mehr gut äußern können, führte zu Veränderungen in der Pflegeplanung. Gewohnheiten oder Rituale, die vertraut und wichtig waren, wurden wo möglich in die Pflegeplanung aufgenommen. Auch in der Sterbebegleitung ist die Selbstbestimmung des Bewohners ein wesentlicher Aspekt. Für alle Teams einer stationären Einrichtung oder eines ambulanten Dienstes bedeutet die Auseinandersetzung mit der eigenen Haltung, den eigenen Werten und den Werten pflegebedürftiger Menschen eine große und anspruchsvolle Herausforderung. Und trotzdem ließen sich die Teilnehmer der Workshops für das Thema begeistern und motivieren. „Heute will ich bei mir und in meinem Team beginnen, dass wir eine Haltung entwickeln, die den pflegebedürftigen Menschen in seiner Individualität mit seiner eigenen Lebensgeschichte sieht und nicht seine Defizite in den Mittelpunkt stellt, sondern seine Ressourcen. Ich wünsche mir, wenn ich mal alt bin und Pflege brauche, dass dann so mit mir umgegangen wird“, so beschreibt eine 25-jährige Wohnbereichsleiterin ihre Motivation nach dem Workshop. Sie wisse, dass es Jahrzehnte dauern kann, bis sich die Haltung einer autonomiefördernden Pflege durchsetze. Deshalb beginnt sie sofort. Bewohnerinnen und Bewohner wählen auch im Pflegeheim ihre Kleidung selbst aus. Mitarbeiter geben diese nicht vor: Vielmehr bieten sie Alternativen, aus denen die Person ganz nach ihren eigenen Wünschen aussucht. Ethikkomitee der Stiftung Liebenau: Autonomie stärken. Eine Orientierung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. 2010. Die Broschüre finden Sie auch unter www.stiftung-liebenau.de/Downloads/ Schriften von Ethikkomission/-komitee Stiftung Liebenau 15

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