Mediathek der Stiftung Liebenau
Aufrufe
vor 7 Jahren

Anstifter 2, 2014 der Stiftung Liebenau

  • Text
  • Liebenau
  • Stiftung
  • Menschen
  • Behinderung
  • Arbeit
  • Liebenauer
  • Zeit
  • Mitarbeiter
  • Haus
  • Vorstand
Der Anstifter ist die Hauszeitschrift der Stiftung Liebenau mit Themen aus den Bereichen Altenhilfe, Behindertenhilfe, Bildung, Gesundheit, Familie und Dienstleistungen.

Aufgeben kommt für ihn

Aufgeben kommt für ihn nicht in Frage Das andere Leben von André Le Cossec von Svenja Kranz LIEBENAU – Er hatte gerade mit seinem Fußballverein gegen die B-Jugend vom FC Bayern gespielt, hatte auf einem Basketball-Event in München ein Autogramm von Dirk Nowitzki bekommen und wollte auf dem Brückenfest gemeinsam mit seiner Freundin feiern, als vier Jungen ein Mädchen anpöbeln. Er greift beherzt ein, wird zu Boden getreten und man schlägt ihm eine Bierflasche über den Kopf. Seither ist alles anders. Das Strahlen und der Humor von André Le Cossec ist geblieben. Doch sonst ist alles anders seit dem Überfall, bei dem ihm ein Schädel-Hirn-Trauma zugefügt wurde. Foto: Kranz In seinem Rollstuhl sitzend schaut André Le Cossec beim Erzählen ab und zu aus dem Fenster. Das Konzentrieren fällt dem 28-Jährigen schwer. Die Erinnerungen an die Zeit vor dem unglücklichen Tag sind sehr präsent. Es war ein anderes Leben. André Le Cossec war damals 16 Jahre alt, ein Mädchenschwarm voller Hoffnungen und Träume, wollte BMW fahren und hatte seine Schwierigkeiten in Mathematik. Er weiß noch genau, wie man ihn ins Krankenhaus brachte, die kleine Wunde mit drei Stichen nähte und es schon so aussah, als ob es damit getan wäre. „Mir wurde plötzlich schlecht, ich spürte meine rechte Seite nicht mehr, und dann muss ich umgekippt sein“, erzählt Le Cossec. Er fiel ins Koma. Nun kann nur noch seine Mutter erzählen. Monatelang lag er im Krankenhaus und das erlittene Schädel-Hirn-Trauma blieb nicht ohne Folgen. Dass er angeborener Linkshänder ist, war sein großes Glück. Da die Flasche auf die rechte Seite prallte, blieb sein Sprachzentrum intakt. Ein wenig Lesen und Schreiben kann er wieder, auch einige Bewegungsabläufe konnte er neu einstudieren, aber die Ärzte prognostizierten ihm, dass er nie wieder laufen würde. Seit zehn Jahren lebt Le Cossec in einer therapeutischen Wohngruppe der St. Lukas-Klinik. „Wir waren so froh, als wir diesen Platz bekamen“, sagt seine Mutter. „Die Therapeuten hier haben sehr gut mit ihm gearbeitet.“ Und wie zur Bestätigung steht Le Cossec vorsichtig aus seinem Rollstuhl auf, geht einige wacklige Schritte durch das Zimmer und singt: „I’m walking down the street!“ Nicht selten muss er über seine eigenen Sprüche lachen. Für die Zukunft wünscht er sich, länger aufrecht gehen zu können, draußen einen Spaziergang ohne Krücken zu machen. Mit breitem Grinsen fügt er hinzu: „Und vielleicht mal eine süße Maus am Start haben, das wäre schon was.“ 26 Gesundheit

Gegen Mobbing AUFWIND®-Training am BBW stärkt Opfer von Elke Benicke RAVENSBURG – Auf dem Weg ins Arbeitsleben zählt nicht nur das Fachwissen aus Werkstatt und Schule, sondern auch der Umgang mit Konflikten, eigenen Gefühlen und Aggressionen. Der Fachdienst Diagnostik und Entwicklung des Berufsbildungswerks Adolf Aich (BBW) hilft durch verschiedene Trainings, Probleme im sozialen Miteinander zu lösen. Während sich das Coolness-Training (CT)® an ganze Schulklassen wendet und es beim Anti-Aggressivitäts-Training (AAT)® konkret um die Täter geht, stärkt das neue AUFWIND®-Training nun speziell Mobbing-Opfer. „Du hast aber einen schönen Pulli an! Ist der aus dem Rot-Kreuz-Container?“ Ein Lob und eine Frage. Was kann daran schlecht sein? Die Schülerin Anna (Name geändert), kann ja „Nein!“ sagen. Doch Mobbing-Opfer sagen üblicherweise nicht „Nein!“, sondern beginnen, an sich zu zweifeln. „Heute schon wieder den Rot-Kreuz-Pulli an? Holt ihr eure Sachen immer beim Roten Kreuz?“ – „Es riecht hier so komisch.“ – „Dusch dich mal!“ – „Es ist ja nicht zum Aushalten neben der!“ – „Die ist ja asozial!“ Anna riecht nun oft an ihren Kleidern und duscht häufiger. Sie bekommt Kopfschmerzen, geht nicht mehr regelmäßig zur Schule, schreibt schlechte Noten. Nach einem Jahr wechselt sie die Schule. Alle sind überrascht. „Mobbing-Opfer haben ein geringes Selbstwertgefühl. Zudem richten sie ihr Augenmerk auf Erfahrungen, die sie in ihrem negativen Selbstbild noch bestätigen“, erklärt Susanna Ehren-Meyjohann, Sozialpädagogin und Trainerin am BBW. „In unserem Training lernen die Teilnehmer, ihre Stärken zu erkennen und schließlich zu verinnerlichen.“ Wie alle anderen Teilnehmer des AUFWIND®-Trainings trägt auch Anna in dieser Einheit einen Rucksack aus Papier. Gegenseitig schreiben sie sich Botschaften auf den Rücken: „Ich mag dein Lachen“, „Du hast tolle Haare“ oder „Wenn du die Matheaufgaben erklärst, verstehe ich sie.“ Vorher hat jeder schon selbst seinen Rucksack mit positiven Eigenschaften bepackt. Eine Szene aus der Schemapädagogik: Die Auswertung des Fragebogens hat für diese Jugendliche ergeben, dass sie sich selbst oft in der Rolle der Verletzten wahrnimmt. Ziel dieser Phase ist es, sich seiner „bevorzugten“ Rolle bewusst zu werden und Strategien zu finden, um aus dieser in eine andere Rolle, zum Beispiel die der Neugierigen oder Mutigen zu schlüpfen. Foto: privat „Das „Gemeinsam stark“-AUFWIND®-Training, wie es mit vollem Namen heißt, umfasst 20 Einheiten à zwei Stunden und zwei Einheiten à acht Stunden. Im Zeitraum von einem halben Jahr durchlaufen die Jugendlichen sechs Phasen: Sie lernen sich kennen, beobachten und erfahren sich, suchen Lösungen, fördern ihre Kompetenzen, transferieren das Gelernte in den Alltag und berichten schließlich in einem Nachtreffen von ihren Erlebnissen. Die Rucksack-Übung ist Teil der zweiten, der Selbsterfahrungsphase. „Die Zettel werden aber auch bei späteren Übungen immer wieder rausgeholt“, sagt Dr. Stefan Thelemann, Leiter des Fachdienstes Diagnostik und Entwicklung. „Im Verlauf des Trainings wollen wir die Teilnehmer befähigen, aus ihrer Opferrolle zu schlüpfen, sich neue Verhaltensmuster anzueignen, um zum Beispiel Beleidigungen zurückweisen oder mit Kritik besser umgehen zu können.“ „Nein!“, sagt Anna, „den Pulli habe ich aus München. Gefällt er dir nicht?“ Im Rollenspiel ringt ihr Gegenüber nach Worten. Anna spürt den Erfolg, macht eine neue Erfahrung und genießt vor allem, dass die ganze Gruppe hinter ihr steht. Bildung 27

Hier finden Sie Impulse für den Alltag

Anstifter