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Anstifter 1, 2022 der Stiftung Liebenau

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Schwerpunkt In der St. Lukas-Klinik berücksichtigt man die kulturellen Besonderheiten der Patientinnen und Patienten. Psychotherapie in kultureller Vielfalt Kulturelle Vielfalt ist in der St. Lukas-Klinik längst angekommen, auch in den Stationen der Kinder- und Jugendpsychiatrie. „Unsere Patientinnen und Patienten stammen aus aller Welt, aus Afrika und Asien, aus dem Mittelmeerraum und dem Nahen Osten“, berichtet der Leitende Psychologe Stefan Meir. Er weiß daher, wie wichtig es ist, kulturelle Besonderheiten in der Psychotherapie von Menschen mit Behinderungen zu berücksichtigen. „Wir versuchen, kultursensibel zu arbeiten. Mit einer akzeptierenden und wertschätzenden Grundhaltung kann es gelingen“, sagt er. Leicht ist dies gewiss nicht. Denn soziale Strukturen, der Stellenwert der Familie oder auch das grundsätzliche Verständnis von Gesundheit und Krankheit unterscheiden sich oft erheblich von dem, was hierzulande selbstverständlich scheint. So ist es beispielsweise in vielen Kulturen nicht üblich, mit Außenstehenden über familiäre Probleme zu sprechen oder gar psychische Schwierigkeiten zu thematisieren. Eine Belastung drückt sich dann oft in körperlichen Symptomen aus. „In solchen Fällen ist den Kindern, Jugendlichen und ihren Eltern unmöglich, etwas zu sagen, was die Familie beschämen könnte“, erklärt Stefan Meir. „Das bedeutet, dass ich als Therapeut einen Weg anbieten muss, den die Familie annehmen kann.“ Dabei sind oft weitere Aspekte zu berücksichtigen. Die religiösen Gepflogenheiten eines Menschen können genauso in die therapeutische Arbeit hineinwirken wie das unterschiedliche Rollenverständnis von Mann und Frau. Manche Menschen bringen aus ihren Heimatländern andere Erfahrungen im Umgang mit Menschen mit Behinderungen mit, andere haben Vorbehalte gegenüber psychiatrischen Einrichtungen. Hinzu kommt: „Die Lebensgeschichten von Menschen aus anderen Kulturkreisen sind oft von Kriegs-, Gewalt- und Fluchterfahrung geprägt“, erklärt Stefan Meir. „Die Vielfalt, die uns heute umströmt, ist beeindruckend. Und doch gab es Diversity immer schon. Wir haben sie früher nur in anderen Zusammenhängen kennengelernt“, sagt der Psychologe und denkt dabei zum Beispiel an psychische Erkrankungen von Menschen mit geistigen Behinderungen. „Dass auch Menschen mit geistiger Behinderung psychisch erkranken können, und welche Vielfalt an Erscheinungsformen sich dabei zeigt, war früher nicht Stand der Wissenschaft.“ Heute stellen sich ähnliche, wenngleich deutlich vielfältigere Aufgaben aufgrund kultureller Besonderheiten. Als ein großer Vorteil erweisen sich hierbei die umfassenden Kompetenzen der St. Lukas-Klinik. „Wir sind es gewohnt, mit sehr unterschiedlichen Menschen zu arbeiten“, erklärt Stefan Meir. Er hält es für wichtig, sich dieser Vielfalt zu öffnen und kulturellen Unterschieden mit Akzeptanz zu begegnen – auch wenn’s manchmal schwerfällt. Beispielsweise erinnert er sich noch gut an eine junge Frau mit türkischen Wurzeln, die mehrfach mit dissoziativen Störungen in Behandlung war. „Wir haben gelernt, dass diese Familie nicht zu uns kommt, um mit uns über die Position von Frauen in der Familie zu sprechen“, erzählt der Psychologe. Gerade weil psychische Erkrankungen fast immer eine soziale Komponente in der Entstehung, Aufrechterhaltung und Behandlung haben, sei das Verstehen und Respektieren der jeweiligen Kultur von zentraler Bedeutung. (rue) 18 anstifter 1 | 2022

Schwerpunkt Vielfalt kann erlernt werden Akademie Schloss Liebenau vermittelt Diversity-Kompetenz Vielfalt macht das Leben reicher und bunter, kann aber auch anstrengend sein. Die Kunst besteht darin, Vielfalt als Chance zu begreifen und sinnvoll zu nutzen. Doch wie geht das? Wie kann ein so abstrakter Begriff wie „Diversity“ mit konkreten Inhalten gefüllt werden? Eine wichtige Rolle spielt dabei die Akademie Schloss Liebenau. Details erläutert ihre Leiterin Johanna Langkrär im Interview. Kann man Diversity, also den bewussten Umgang mit Vielfalt, lernen? Sicherlich nicht so wie Vokabeln. Denn beim Thema Diversity geht es auch, aber nicht ausschließlich um einen Wissenszuwachs. Diversity-Kompetenz ist ein Prozess, der vor allem der persönlichen Reflexion bedarf und verschiedene Dimensionen umfasst: kulturelle Vielfalt genauso wie Altersheterogenität, unterschiedliche Geschlechter, Generationen und Lebenssituationen. Für eine Organisation wie die Stiftung Liebenau ist es wichtig, Raum für diese (Selbst-)Reflexion und den Austausch darüber zu schaffen. Dabei geht es darum, Vielfalt in einer wertschätzenden Grundhaltung wahrzunehmen, besprechbar zu machen und mit Unterschiedlichkeit aktiv und bewusst umzugehen, diese im besten Fall als Potenzial zu nutzen. Welchen Beitrag leistet die Akademie Schloss Liebenau, um Diversity in den Köpfen und im Arbeitsalltag zu verankern? Wir haben schon seit einigen Jahren verschiedene Angebote zum Thema Diversity in unserem Bildungsprogramm, etwa zur Altersheterogenität oder zu kulturellen Unterschieden in Teams. Auch im neuen Bildungsprogramm gibt es wieder Seminare in diesem Themenspektrum. Ein Kurs trägt zum Beispiel den Titel: „So bunt wie das Leben. Wertschätzende diversitysensible Kommunikation in vielfältigen Teams.“ Die Akademie Schloss Liebenau greift das Thema Diversity aber nicht nur in Kursen auf, sondern begleitet auch Klausuren zum Beispiel von Führungskräften, die sich gemeinsam mit dem Thema auseinandersetzen möchten und dann wiederum als Multiplikatoren wirken. Wie gelangt das Thema Diversity überhaupt in das Bildungsprogramm der Akademie Schloss Liebenau? Wir entwickeln unsere Angebote auf der Grundlage einer Bedarfsanalyse. Das heißt: Wir fragen in den einzelnen Gesellschaften der Stiftung Johanna Langkrär leitet die Akademie Schloss Liebenau. Liebenau, für welche Themen Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten angeboten werden sollen. Diversity steht seit einigen Jahren immer auf der Wunschliste. Die Inhalte dazu vermitteln dann überwiegend externe Expertinnen und Experten. Wir arbeiten aber auch mit internen Dozierenden als Experten in eigener Sache zusammen. Dies zum Beispiel beim Angebot „Diskriminierung in der Pflege“. Methodisch steht dabei vor allem Erfahrungsaustausch und Reflexion im Vordergrund. Diese Kurse richten sich grundsätzlich an alle Mitarbeitenden. Warum lohnt sich eine Beschäftigung mit diesem Thema? Weil wir alle ständig mit Buntheit, Vielfalt und Veränderung umgehen müssen. Das gehört einfach zum Leben dazu. Wenn wir uns dies nicht bewusst machen und dazu sprachfähig werden, kann es zu Missverständnissen, Vorurteilen, Polarisierungen, Konflikten und Diskriminierung kommen. Wir können aber lernen, in der Vielfalt eine Stärke zu sehen und die Chancen, die sich daraus ergeben, aktiv zu nutzen. Wenn wir dies schaffen, kommen wir zu einem guten Miteinander, erleichtern uns selbst den Arbeitsalltag und fördern auch unsere eigene Persönlichkeitsentwicklung. Das hat doch was. (rue) anstifter 1 | 2022 19

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