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Anstifter 1, 2019 der Stiftung Liebenau Österreich

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Praxis aus Vorarlberg

Praxis aus Vorarlberg Gemeinsam Brot backen In der gerontopsychiatrischen Tagesbetreuung Keltengasse und Erwin, sportlich im Trainingsanzug. Zuletzt Hildegard, die mit dem Fahrrad gekommen ist und eigentlich keine Zeit hat, aber aus Interesse am heutigen Thema Lichtmess (2. Februar) mit anschließendem Brotbacken anlässlich der heiligen Agatha (5. Februar) trotzdem bleibt. Die Gruppe kennt sich schon lange, schon aus der Tagesbetreuung des AKS (Arbeitskreis für Vorsorge und Sozialmedizin) in Bürs. Jeder einzelne wird herzlich begrüßt, bis alle am Tisch versammelt sind. Jetzt sind fast alle Tagesgäste versammelt (v.l.n.r.): Peter, Robert, Armin, Gitta, Herbert, Erwin und Wolfi. Nur Hildegard fehlt noch. NÜZIDERS – Armin* sagt, er sei wegen seiner „Vergesslichkeit“ hier. So wie die meisten anderen Tagesgäste in der gerontopsychiatrischen Tagesbetreuung, die seit einem halben Jahr montags, mittwochs und donnerstags in der Wohnanlage Keltengasse stattfindet. Sie kommen aber auch wegen der „Unterhaltung“ und „weil die Frau zuhause mal Pause braucht“ und „natürlich wegen der anderen“. Wache, lachende Augen und gute Stimmung am Frühstückstisch: Gitta fühlt sich sichtlich wohl in der Männerrunde zwischen „Wolfi“ (Wolfgang), der als ehemaliger LKW-Fahrer immer was zu erzählen hat, Peter, dem eher Ruhigerem, und Armin, der sich gut mit den Bergen rund um die Wohnanlage Keltengasse auskennt. Nach und nach trudeln auch die anderen ein: Herbert, der früher Fotograf war, der stattliche Robert Von den Schneeglöckchen spontan zu Heintje In der offenen Küche hinter ihnen werkelt Alltagsmanagerin Luciana. Sie hat ein Ohr für alle, die kurz bei ihr vorbeischauen, einen Kaffee holen oder einen Teller abstellen und ist für jeden Spaß zu haben. Kurz nach zehn wird die Frühstücksrunde aufgelöst: Die einen gehen auf den Balkon, die ersten Frühlings-Sonnenstrahlen genießen oder rauchen, andere helfen den Betreuerinnen Eva-Maria und Marion, die Stühle für einen Sitzkreis bereitzustellen. „Wir versuchen, die Leute so gut wie möglich in alle Tätigkeiten einzubeziehen“, erklärt Eva-Maria. Dann moderiert Marion das Thema Lichtmess, berichtet, fragt, zeigt und reicht Verschiedenes zum Thema ‚Licht‘ und ‚neues Leben‘ herum, darunter auch eine Birkenrinde, die es zunächst als solche zu erkennen gilt und die bei einigen Erinnerungen wachruft. Eva-Maria möchte jetzt „Das Schneeglöckchen“ von Christian Andersen vorlesen. Da Wolfi bei diesem Titel sofort ein Song von Heintje in den Sinn kommt, summt er ihn, bis andere einstimmen, Luciana den Text recherchiert und dann alle gemeinsam singen. Reden, fühlen, riechen, probieren Nach dem Vorlesen geht es um das Arrangement auf dem kleinen Tisch in der Mitte des Sitzkreises: ein Glas mit Getreide, eine Kornmühle, Gewürze, Brot. Die Tagesgäste diskutie- Reden, fühlen, riechen, probieren - oder auch nur dabei sein. 22 anstifter ÖSTERREICH 1 | 2019

Praxis aus Vorarlberg ren bäuerliche Bräuche rund um das Agathabrot, riechen an den Gewürzen, befühlen das Korn und probieren von dem bereits gebackenen und gesegneten Brot. „Heute backen wir das Agathabrot nochmal frisch“, kündigt Eva-Maria an. Sie erklärt Wolfi, wie die Kornmühle funktioniert und ermuntert ihn: „Probier doch mal!“ Luciana bespricht mit Herbert und Erwin das Rezept fürs Agathabrot. Der Tag ist in vollem Gange – und jeder nach den eigenen Wünschen involviert. (ebe) *Auf Wunsch der Tagesgäste und Betreuerinnen werden in diesem Text nur die Vornamen der Beteiligten genannt. „Ganz fein gemahlen, fühl mal Peter“, sagt Betreuerin Eva-Maria. Links: Betreuerin Marion. Hochzeit im Pflegeheim VANDANS – Als sich die Wege von Gerti Stemer, 67, und Wolfgang Helbock, 46, vor gut zweieinhalb Jahren im Seniorenheim Schmidt kreuzten, war das der Beginn einer großen Liebe. Sie schätzt seine ehrliche und geradlinige Art, er findet, „dass eine Frau, mit der man gut auskommt, viel wert ist“ und machte ihr einen Heiratsantrag. „In unserer Beziehung passt alles“, sagt Gerti Stemer, „Wolfi ist der Mensch, mit dem ich das Leben teilen will.“ Das Leben selbst brachte beide ins Heim: Gerti Stemer, eine gelernte Kosmetikerin mit eigenem Studio, kam über den Suizid ihres Bruders nicht hinweg. Sie begann zu trinken, verlor Betrieb und Wohnung. Auf die Beine kam die Schrunserin erst wieder im Seniorenheim Schmidt. Auch Wolfgang Helbock, gelernter Koch, war alkoholkrank und lebt seit einem Sturz im Pflegeheim. Da der Glaube für beide eine große Rolle spielt, schlossen sie den Bund der Ehe vergangenen Oktober nach der standesamtlichen Trauung in Schruns auch vor Gott. Die Trauung vollzog Pfarrer Dariusz Radziechowski in der Kapelle des Seniorenheims Schmidt. Anschließend feierte das frischgebackene Ehepaar mit Familienmitgliedern, Freunden, Hausleiterin Andrea Jochum und weiteren Mitarbeitern und Bewohnern. Seit der Schließung des Hauses leben die beiden im Seniorenheim Tschemakgarten in Bregenz. Zusammen glücklich: Das Hochzeitspaar Gerti Stemer und Wolfgang Helbock mit Pfarrer Dariusz Radziechowski (links). anstifter ÖSTERREICH 1 | 2019 23

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