Wer eine Meinung hat, muss auch Im Gespräch mit Aufsichtsrätin Tanja Gönner von Helga Raible LIEBENAU – Gestern Afghanistan, heute Liebenau: Tanja Gönners Reiseplan klingt spannend. Als Vorstandssprecherin der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ist sie global unterwegs, als Aufsichtsratsmitglied der Stiftung Liebenau engagiert sie sich lokal. Und schafft es, beide Sphären miteinander zu verbinden. Für den Anstifter sprachen wir mit ihr über Erfahrungen, Einschätzungen und Empfehlungen. Tanja Gönner, Vorstandssprecherin der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, gehört seit 2012 zum Aufsichtsrat der Stiftung Liebenau. Foto: Raible Tanja Gönners Karriere begann im Ländle: Geboren 1969 in Sigmaringen, Ausbildung als Rechtspflegerin, anschließend Jurastudium in Tübingen, Tätigkeit als Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Insolvenzrecht. Seit ihrem 17. Lebensjahr ist Gönner politisch engagiert, hatte verschiedene Parteifunktionen in der CDU inne, war Landtags- und Bundestagsabgeordnete, wurde mit 35 Jahren baden-württembergische Sozial-, später Umwelt-, Naturschutz- und Verkehrsministerin. 2012 wurde sie Vorstandssprecherin der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), einem Unternehmen der Bundesrepublik Deutschland mit 16 000 Mitarbeitern in über 130 Ländern. Die vielfältigen Erfahrungen aus Politik und Unternehmensführung fließen auch in ihre Tätigkeit im Aufsichtsrat. Die Stiftung Liebenau kennt Tanja Gönner als gebürtige Oberschwäbin schon lange, allerdings hielt sie die Stiftung früher für „eine klassische Sozialeinrichtung, mit Behinderten- und Altenhilfe. Heute ist sie beeindruckt von der „unglaublichen Vielfalt“ der Tätigkeits- und Themenfelder. Besonders spannend für sie ist – nicht ganz unerwartet – die Internationalisierung der Stiftungstätigkeit. „Das Engagement in verschiedenen Ländern, der Transfer und Rücktransfer von Wissen unterstützt die Diversifizierung“, weiß sie. Allerdings: Je größer die Vielfalt, desto wichtiger auch der Zusammenhalt, die gemeinsame Leitidee. Maßstab für neue Entwicklungen müsse immer die Frage sein, inwiefern sie dem Menschen helfen. „Die Stiftung ist da auf einem guten Weg“, hat sie beobachtet. Und ganz sicher werde der Bedarf an sozialen Leistungen und Angeboten in Zukunft weiter zunehmen. Diversität kennzeichnet auch Gönners Tätigkeit in der GIZ. Sie ist verantwortlich für aktuell 1588 Projekte in 130 verschiedenen Ländern. Sie alle tragen 8 Stiftung Liebenau
Widerstand aushalten bei zu einer nachhaltigen Entwicklung, es gibt Umwelt- und Klimaprogramme, Programme zur Förderung wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung, zum Aufbau von Infrastrukturen. Projekte, die durchaus nicht ohne Risiken sind, ist die GIZ doch an vielen Krisenherden der Welt tätig: Mali, Sudan, Afghanistan, Irak, Jemen… Da sei „sinnvolles Risikobewusstsein“ gefragt, kontinuierliche Risikobeobachtung und „wenn die Situation fragiler wird, Mitarbeiter abziehen.“ Das ist zum Beispiel in Syrien geschehen. Flüchtlingshilfe gehört seit vielen Jahren zu den Aufgaben der GIZ. Mehr als sechs Millionen Flüchtlinge seien seit 2005 über Projekte versorgt worden. Zum Beispiel im Flüchtlingslager Shariya im Nordirak. Dort hat die GIZ inzwischen mehrere Schulen gebaut. Die Bauarbeiten haben übrigens die Flüchtlinge selbst ausgeführt und dafür Lohn bekommen, „Cash for Work“. Dieser Ansatz helfe, der Flüchtlingsnot in der Region und deren eigenem Kulturkreis zu begegnen, erläutert Gönner. Seit Herbst 2015 unterstützen mobile GIZ-Teams die Kommunen entlang der Balkanroute in Fragen der Abfallbeseitigung, Kanalisation, Wasserversorgung. Bewusst spricht Tanja Gönner nicht von einer Flüchtlings-“Krise“. „Ich denke, wir stehen vor einer wirklich großen Herausforderung. Warum haben wir denn so eine heftige Diskussion? Weil eine wirkliche Veränderung ansteht – und das ruft erstmal Abwehr hervor. Bisher haben wir Globalität hauptsächlich als Chance für die westliche Wirtschaft und als Erweiterung unserer Reiseziele verstanden. Aber auch die Menschen in anderen Ländern entdecken nun andere Orte zum Leben.“ In Deutschland seien wir jetzt gefordert, unsere Positionen neu zu bestimmen, unsere Verantwortung zu definieren. „Da kommen spannende Dinge in Bewegung: Wir reden wieder über das Grundgesetz, über unsere Grundwerte, über Menschenwürde. Das halte ich für sehr wichtig. Wenn wir uns unserer eigenen Position klar sind, können wir gegenüber anderen liberal sein – und diese Liberalität werden wir brauchen.“ Hätte sie diese Haltung auch schon vor fünf Jahren vertreten oder haben die GIZ-Erfahrungen sie verändert? Darüber habe sie tatsächlich selbst auch schon nachgedacht, sagt Tanja Gönner. Aber sie habe sich schon früher mit weltweiten Entwicklungen und mit globaler Verantwortung beschäftigt, „das hat spätestens die Aufgabe als Umweltministerin mit sich gebracht.“ Die GIZ-Tätigkeit habe sie eher gestärkt in ihrer Überzeugung. Und: Die Freiheit von politischen Ämtern erlaube mehr Freiheit in der Positionierung. Vor klaren Positionen hatte Tanja Gönner auch als Politikerin keine Furcht. Sie hat damit vieles bewegt, musste manchmal aber auch heftigem Gegenwind standhalten. Was hat sie aus dieser Zeit mitgenommen? Sie antwortet mit Winston Churchill: „Entscheidend ist, einmal mehr aufzustehen als hinzufallen.“ Schwierige Aufgaben hätten sie noch nie geschreckt, das hätte ihre Berufslaufbahn so mit sich gebracht. „In der Insolvenzverwaltung müssen Sie damit umgehen, dass Sie auch unangenehme Entscheidungen zu vertreten haben.“ Ihre Vorgehensweise: Erst die nötigen Informationen zusammentragen, sich eine klare Position dazu bilden und die deutlich vertreten. „Wer eine Meinung hat, muss eben auch mit Widerstand rechnen und in die Auseinandersetzung gehen.“ Gelernt habe sie dabei früh die Fähigkeit zum Dialog, zuhören zu können und die eigene Position zu hinterfragen. Die nötige Kraft dafür tankt Tanja Gönner, wann immer möglich, in ihrer oberschwäbischen Heimat und in der Familie. „Eltern, Geschwister, Neffen und Nichten – das ist ein stabiles Netzwerk, das auch Halt gibt.“ Stiftung Liebenau 9
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