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Anstifter 1, 2015 der Stiftung Liebenau

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Der Anstifter ist die Hauszeitschrift der Stiftung Liebenau mit Themen aus den Bereichen Altenhilfe, Behindertenhilfe, Bildung, Gesundheit, Familie und Dienstleistungen.

... Foto: Kästle 6

... Foto: Kästle 6 Stiftung Liebenau

Gegen das Vergessen Gedenkgottesdienst für die Opfer des nationalsozialistischen Terrors von Claudia Wörner LIEBENAU – Menschen mit Behinderung gehörten zu den ersten Opfern des nationalsozialistischen Terrors. Beim Gottesdienst der Stiftung Liebenau zum Tag des Gedenkens am 27. Januar standen die Namen der 501 Männer, Frauen und Kinder in der Liebenauer Kirche im Mittelpunkt. Zusammen mit der Orgelimprovisation von Georg Enderwitz entstand ein eindrückliches Sinnbild gegen das Vergessen. Ein Name nach dem anderen ist beim Betreten der Liebenauer Kirche zu hören. Endlos scheint ihre Zahl zu sein. Zwischen den Namen hält die Stimme für ein paar Sekunden inne, so dass jeder einzelne für kurze Zeit im Raum stehen bleiben kann. Jeder Name gehörte einem Menschen – einem Menschen aus Liebenau, der von den Nationalsozialisten ermordet wurde. Im Altarraum steht das große Bild mit dem grauen Bus, auf den Stufen reihen sich die Kerzen. Plötzlich und machtvoll setzt die Orgel ein. Nein, diese Musik ist nicht gefällig. Sie jagt einem Schauer über den Rücken, erzeugt ein Gefühl des Unwohlseins. Die dissonante Musik wird leiser und die Namen schieben sich wieder in den Vordergrund. Auszubildende der Stiftung Liebenau haben sich im Archiv mit Dokumenten aus der Zeit der Ermordung der 501 Menschen auseinandergesetzt: Transportlisten, Briefe, Belege für Nachforschungen bis in die heutige Zeit. Sie gingen den Spuren nach, betrieben „Spurensicherung“. In sachliche Worte fassten sie die Tatsachen und verlasen sie von ihrem Platz in der Kirchenbank aus. Verbunden mit den Jahreszahlen ab 1933 wurde einmal mehr deutlich, dass der Boden für die grausame Ermordung „minderwertigen“ Lebens früh bereitet war. „Im Vordergrund stand eine Kosten-Nutzen-Rechnung“, sagte eine der Auszubildenden. Das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ zog zahlreiche Zwangssterilisierungen nach sich. Am 1. Juli 1940 kamen die ersten Busse nach Liebenau. Ihr Ziel: Grafeneck auf der Schwäbischen Alb. „Das Wissen der Bewohner verdichtete sich, dass diejenigen, die in die Busse einsteigen, nicht mehr zurückkommen“, war zu hören. Auch dass die Hinterbliebenen durch fingierte Krankheiten bewusst getäuscht wurden, riefen die Auszubildenden in Erinnerung. Jeder Besucher des Gedenkgottesdienstes erhielt ein Kärtchen mit dem Namen eines ermordeten Menschen aus Liebenau. Wieder spielte Organist Georg Enderwitz und reihte Töne aneinander, die ihre Angst nochmals greifbar machte. „Hinter jedem Namen steht ein Schicksal, ein Mensch, eine Persönlichkeit und eine politische Bewertung“, sagte Prälat Michael H. F. Brock, Vorstand der Stiftung Liebenau. „Eine Abwertung des Lebens, eine Einteilung in lebenswert und lebensunwert.“ Auch seine Worte sind unterlegt von der Stimme, die die Namen der 501 Ermordeten liest. So als gäbe es kein Lernen aus der Geschichte, würden auch im Jahr 2015 Menschen auf die Straße gehen und die Angst vor Menschen anderer Kultur und Religion schüren, spielte Brock auf die aktuellen „Pegida“-Demonstrationen an. Brock forderte dazu auf, das Kärtchen mit dem Namen mitzunehmen und für die Seele dieses Menschen zu beten. „Was diesen Personen widerfahren ist, möge sich in unser Gewissen einprägen.“ Stiftung Liebenau 7

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