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Anstifter 1, 2015 der Stiftung Liebenau

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Der Anstifter ist die Hauszeitschrift der Stiftung Liebenau mit Themen aus den Bereichen Altenhilfe, Behindertenhilfe, Bildung, Gesundheit, Familie und Dienstleistungen.

Ein gutes Ende nach

Ein gutes Ende nach einem schweren Weg Sozialtherapeutisches Heim wird zum Zuhause von Helga Raible LIEBENAU – Nicht jeder Mensch, der mit einer geistigen Behinderung lebt, wird auch mit dieser geboren. Eine Krankheit, ein Unfall, Komplikationen bei einer Operation: Das sind Ereignisse, die zu dem führen können, was Fachleute als „erworbene Hirnschädigung“ bezeichnen. Oftmals verändert sich dabei auch die Persönlichkeit. Die Menschen haben es schwer, in ihrem bisherigen sozialen Umfeld zu leben. Verschiedene Therapien schlagen nicht an, die Menschen gelten als „austherapiert“. Im Sozialtherapeutischen Heim der St. Lukas-Klinik in Liebenau können diese Menschen einen Lebensraum finden, in dem die Komplexität der „neuen“ Behinderung zentral zur Therapie gehört. Auch Holger Roth lebt dort seit fast zehn Jahren. Der Anruf kam an einem Dienstag im November: „Hier ist die Polizei Fürth. Ihr Sohn hatte einen Verkehrsunfall. Er ist lebensgefährlich verletzt.“ Konrad Roth brauchte ein paar Sekunden, bis er die Bedeutung der Nachricht verstand. Und von da an war sein Leben ein anderes. „Ich war fertig“, erinnert er sich. Und konnte doch anfangs nur warten – auf den nächsten Anruf, auf neue Informationen, auf jemanden, der ihn nach Erlangen in die Spezialklinik fahren konnte. Holger Roth war damals gerade 30 geworden – und nach turbulenten Jugendjahren endlich in seinem Wunschberuf als Modellbauer angekommen. Die zweijährige Ausbildung lag hinter ihm. Er war auf dem Weg zur Gesellenprüfung, als er auf der Autobahn Zeuge eines Unfalls wurde. Er stieg aus, wollte helfen – und wurde von einem vorbeifahrenden Auto erfasst, dessen Fahrer dem Unfallwagen ausweichen wollte. In hohem Bogen wurde er über die Leitplanke auf die Böschung geschleudert. Sechs Wochen lag Holger Roth mit schweren Kopfverletzungen im Koma. Sein Vater pendelte zwischen Krankenbett und dem heimischen Gengenbach. Holgers Freundin unterbrach ihr Studium, um täglich bei ihm sein zu können. Als Holger Roth aus dem Koma Holger Roth lebt seit fast zehn Jahren im Sozialtherapeutischen Heim der St. Lukas-Klinik. Hier ist sein Zuhause. Foto: privat erwachte, schöpfte die Familie Hoffnung. Er war mittlerweile vom Krankenhaus in eine neurologische Fachklinik verlegt worden, wo sein körperlicher Zustand sich allmählich normalisierte. „Als er mich eines Tages selber zu Hause anrief, war für mich klar: Jetzt geht es aufwärts“, erzählt Konrad Roth. Aber er musste feststellen, dass die Kopfverletzungen sich auf das Verhalten seines Sohnes auswirkten. Holger Roth wurde von Tag zu Tag aggressiver, ging auf Mitpatienten und Pflegekräfte los. Schließlich wollte ihn die Klinik nicht mehr behalten. Eine Odyssee begann. Verschiedene psychiatrische Kliniken und Therapiezentren wechselten sich ab, jede Verlegung verbunden mit der Hoffnung auf Besserung. Aber Holger ging es immer schlechter. Der Vater war verzweifelt, wenn er seinen Sohn besuchte: Unter starkem Medikamenteneinfluss, manchmal sogar ans Bett fixiert, verlor er selbst die Fähigkeiten, die er nach dem Unfall gerade mühsam wieder erlernt hatte. 28 Gesundheit

Fünf Monate nach dem Unfall bekam Konrad Roth den Tipp, sich an die Psychiatrische Abteilung der St. Lukas-Klinik zu wenden. Der erste Eindruck war überzeugend: „Ich habe gemerkt: Hier ist der Patient etwas wert. Und die Angehörigen auch!“ Tatsächlich konnte Holger Roth in der Akutstation aufgenommen werden. Die Behandlung dort bekam ihm sichtlich gut. Seine Aggressivität ließ allmählich nach, er nahm viel weniger Medikamente als zuvor. Schon einige Monate später konnte er ins Sozialtherapeutische Wohnheim in Liebenau einziehen. Fast zehn Jahre lebt Holger Roth schon in Liebenau. Sein Vater ist beruhigt, denn: „Wir merken, hier geht es ihm gut.“ Ein gutes Ende für einen schweren Weg, auch für den Vater: Die dauerhafte Behinderung seines Sohnes zu akzeptieren, war nicht leicht. „Anfangs bin ich immer mit großen Hoffnungen zum Besuch gefahren. Und wenn Holger dann schlecht drauf war, war ich am Boden zerstört.“ Geholfen hat Konrad Roth, dass seine Lebensgefährtin immer zu ihnen beiden gestanden habe. „Wenn Sie allein sind, ist das schwer auszuhalten.“ Die Möbel seines Sohnes habe er noch viele Jahre aufbewahrt – „Man kann das ja nicht einfach wegwerfen!“. Inzwischen habe er sich zwar davon getrennt, aber: „Holger hat seinen festen Platz in unserem Leben!“ Was Konrad Roth allerdings immer noch verbittert: Das Verfahren gegen den Unfallverursacher wurde eingestellt. Wegen Geringfügigkeit. Im Sozialtherapeutischen Heim werden Menschen mit geistigen Behinderungen und schwerwiegenden Problemen betreut, die sich in einer konventionellen Wohngruppe oder in der Familie nicht bewältigen lassen. Die Bewohner erhalten einen stabilen Rahmen: klar strukturierte Tagesabläufe, feste Bezugspersonen, Ärzte und Psychologen, die die Gruppe begleiten – auch in Krisensituationen. Außerdem werden kreative, musische, handwerkliche und körpertherapeutische Aktivitäten angeboten. Jugendliche haben die Möglichkeit zum Schulbesuch, Erwachsene Zugang zu Arbeits-, Beschäftigungs- und Förderangeboten. www.st.lukas-klinik.de Abenteuer Ausbildung NEUKIRCH – Raus aus der Klinik, rein in den Wald: Der erlebnispädagogische Tag für 21 Auszubildende, Vorpraktikanten und FSJ-ler der St. Lukas-Klinik Ende Oktober diente den jungen Leuten zum gegenseitigen Kennenlernen. Im Mittelpunkt standen Aktionen zur Teambildung, Sozialkompetenztraining, Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls und der Gemeinschaftsbildung. Begleitet wurde die Gruppe von Laura Decker, einer der Mitorganisatorinnen, und vom Erlebnispädagogen Michi Hofmann, einem ehemaligen Mitarbeiter der St. Lukas-Klinik. Im Niederseilparcours im Wald konnte die Gruppe Hindernisse und Gefahren gemeinsam überwinden. Gekocht und gegessen wurde ebenfalls in der freien Natur. Zum abschließenden Bogenschießen ging es auf eine nahegelegene Wiese. Hier galt es noch einmal alle Aufmerksamkeit zu bündeln und sich in Konzentration, Körperspannung und Treffsicherheit zu üben. Zwischen all den Spielen, Aufgaben und Begegnungen gab es genug Zeit den Tag zu genießen, viele interessante Gespräche zu führen und neue Bekanntschaften zu knüpfen. Die jungen Teilnehmer waren sich einig: Der Tag war rundum gelungen und hatte viele schöne und lustige Momente von bleibender Erinnerung. Gesundheit 29

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