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wir 3 / 2018

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24 Gedenkwanderung nach

24 Gedenkwanderung nach Grafeneck Jugendliche nehmen Strapazen auf sich und setzen Zeichen Die Kreuze auf dem Gelände der Gedenkstätte Grafeneck erinnern an die von den Nazis ermordeten Menschen mit Behinderungen. Das Gedenktuch wurde über die ganze Wanderstrecke mitgetragen. Fotos: Lehmann „Gehen gegen das Vergessen“ - Unter diesem Motto fand eine 32-stündige Gedenkwanderung von Kindern und Jugendlichen, die in der Stiftung Liebenau betreut werden, zur Tötungsanstalt Grafeneck, statt. Alle zwei Jahre wird durch unterschiedliche Aktionen an die 501 Bewohnerinnen und Bewohner der Stiftung Liebenau erinnert, die während der Nazizeit dort 1940 und 1941 ermordet wurden. Sie wollten ein Zeichen gegen das Vergessen der Gräueltaten der Nazis an Menschen mit Behinderungen setzen. Die über 100 Kilometer legten zwölf Jugendliche mit Einschränkungen und ihre Begleiter als „Staffelwanderung“ zurück: Nach jeweils ungefähr vier Kilometern Fußmarsch trafen sie sich an einer vereinbarten Stelle mit den anderen Teilnehmern, die mit zwei Kleinbussen unterwegs waren. Dort wurden sie von der nächsten Gruppe abgelöst, die wiederum vier Kilometer zurücklegte. Stephan Becker, Heilpädagoge bei der Stiftung Liebenau und Initiator der Gedenkwanderung möchte eine „lebendige Erinnerungskultur“ erhalten. „Denn nur wer sich erinnert, kann dem Vergessen entgegenwirken. Die Aufklärung über die Nazi-Verbrechen interessiert die Jugendlichen mit Einschränkungen ganz besonders – vielleicht wären sie damals auch der Willkür zum Opfer gefallen und von Ärzten, Pädagogen und Staatsbeamten als ‚lebensunwertes Leben‘ stigmatisiert worden.“ Denn, so Becker weiter, wo Entwertung menschlichen Lebens entsteht, müsse man hellhörig werden und zum Nachdenken anregen. Non-Stopp waren sie unterwegs von Hegenberg in Meckenbeuren bis zur Gedenkstätte in Grafeneck. Um 4.30 Uhr ging es am ersten Morgen los. Es war ein Weg, der körperlich herausforderte: Morgens war es kühl, später wurde es zum Teil über 30 Grad heiß. Nach 18 Stunden auf den Beinen, rasteten sie in der Nähe des Wallfahrtsortes Bussen, bevor sie um 2.30 Uhr wieder weiterliefen. Ausgestattet mit Stirnlampen ging es durch Wald und Feld weiter. Schließlich kamen sie in der Gedenkstätte in Grafeneck an, wo sie von Franka Rößler, der wissenschaftlichen und pädagogischen Mitarbeiterin der Gedenkstätte begrüßt wurden. Dank für besondere Form des Gedenkens Das Gedenken braucht einen Ort: Unter diesem Leitgedanken entstand 1990 die Gedenkstätte Grafeneck, 50 Jahre nachdem dort mehr als 10000 Menschen mit Behinderungen ermordet wurden. Dass ein Ort zum Gedenken wichtig ist, merkten auch die Jugendlichen selbst, denn durch die körperlichen Anstrengungen der Wanderung waren sie manchmal vom eigentlichen Grund der Wanderung abgelenkt: die Erinnerung an die dunkle Zeit, in der so viele Menschen umgebracht wurden „nur weil sie etwas anders waren“, so ein Teilnehmer der Gruppe. Am Ort des Geschehens aber wurde dies allen wieder bewusst. Rößler erklärte den Teilnehmern die Vorkommnisse in Grafeneck, berichtete von dem Schweigen, das noch Jahrzehnte nach dem Verbrechen herrschte. Sie bedankte sich bei der Wandergruppe „für die ganz besondere Form des Gedenkens“. Anne Luuka

25 Liebenauer Arbeitswelten bieten kreative Tätigkeiten Upcycling macht einzigartige Taschen möglich Aus alt mach neu – das kennt man bereits vom Recycling. In der Nähwerkstatt der Liebenauer Arbeitswelten werden vermeintliche Abfallstoffe unter pädagogischer und fachlicher Anleitung von Menschen mit Unterstützungsbedarf sogar direkt zu neuen Produkten verarbeitet. „Upcycling“ nennt man das in der Fachsprache. In diesem Verfahren entstanden in Liebenau Tragetaschen, die aus alten Bau- oder Werbebannern gefertigt wurden. Mit den ersten Produkten können sich die Baugenossenschaft Familienheim Schwarzwald-Baar-Heuberg eG und an das Bad Waldseer Lauffieber schmücken. An die Anfänge der Nähwerkstatt erinnert sich Sarah Enzenhöfer noch gut: „Erst vor wenigen Jahren haben wir damit begonnen, Knöpfe anzunähen und jetzt entstehen hier wirklich tolle Produkte. Darauf sind wir stolz“, sagt die Pädagogische Fachkraft. Vier Beschäftigte mit Unterstützungsbedarf werden in der Werkstatt von Sarah Enzenhöfer begleitet. Alle haben das Nähen gelernt und entwickeln ihre Fähigkeiten stetig weiter. Der Auftrag der Baugenossenschaft Familienheim war eine erste große Belastungsprobe, denn insgesamt werden gut 200 Taschen gefertigt, von denen die ersten 120 ausgeliefert wurden. „Aufgrund zahlreicher Kooperationen mit der Stiftung Liebenau war sie für uns der einzig logische Partner für unser Taschenprojekt“, erinnert sich Melanie Pees, Prokuristin der Baugenossenschaft. Das 8 mal 20 Meter große Baubanner, welches zuvor an einem Tübinger Bauvorhaben zu sehen war, wollte die Baugenossenschaft nicht einfach wegwerfen. Eine Mitarbeiterin stellte den Kontakt zur Nähwerkstatt her. „Dort war man direkt Feuer und Flamme für dieses Projekt, und das spiegelt sich auch deutlich in dem Ergebnis wider“, so Pees. Über einzigartige handgefertigte Taschen aus früheren Werbebannern freut sich auch das Orga-Team des Bad Waldseer Lauffiebers: Die Taschen und weitere Sport-Accessoires aus Upcycling-Materialien werden spätestens zum Lauffieber im kommenden Mai auch zum Verkauf angeboten. Jede der ersten zehn Umhängetaschen ist einzigartig. Das mehrfache „Wow“ von Bernhard Schultes, dem Vorsitzenden des Lauffieber-Orga-Teams, sagte alles über seine Begeisterung. Weitere Aufträge für die Nähwerkstatt sind bereits in Planung. So sollen die Banner aus einem aktuellen Kooperationsprojekt, dem St. Anna-Quartier in Tettnang, später ebenfalls in Liebenau weiterverarbeitet werden. Andere Rohstoffe sind hingegen deutlich schwieriger zu akquirieren. Für einen konkreten Auftrag fehlt derzeit noch eine ausreichende Menge an Fleece. „Wir sind weiterhin auf der Suche nach Partnern, die uns Werkmaterialien zur Verfügung stellen und im Idealfall auch Interesse an neuen Produkten haben“, sagt Bereichsleiter Markus Lerner. Dann könne man auch über einen Ausbau der Nähwerkstatt und die Anschaffung neuer Maschinen nachdenken. Daniel Krüger, Anne Oschwald Übergabe der ersten 120 Taschen, die aus einem ehemaligen Baubanner gefertigt wurden (v.l.): Sarah Enzenshöfer, Melanie Pees, Gabi Fürgut, Dirk Moraru und Claudia Grassmann. Foto: Krüger Bernd Schultes vom Bad Waldseer Lauffieber (v.l.) nahm die Taschen von den Mitarbeitern der Stiftung Liebenau Gabi Fürgut, Sonja Buemann und Markus Lerner entgegen. Foto: Oschwald

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