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wir 1 / 2018

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12 Transparenz und den

12 Transparenz und den Informationsfluss bezüglich Entwicklungen im Unternehmen. Wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit der Liebenau Teilhabe? Für das Haus, in dem unsere Tochter seit fast zwanzig Jahren lebt, kann ich sagen, dass die Zusammenarbeit sehr gut ist. Es herrscht ein offener Umgang zwischen Mitarbeitern und uns Angehörigen. Die Kommunikation mit den Leitungskräften ist ebenfalls gut. Sie sind für unsere Anliegen immer gut erreichbar. Für Angehörige ist es wichtig, sich einzubringen und die Begleitung nicht nur in die Hände der Fachleute zu legen. Natürlich gibt es dabei Reibungspunkte. Bei Unstimmigkeiten mit Mitarbeitern empfehle ich immer den direkten Weg zu gehen und ein klärendes Gespräch zu suchen. Gibt es Themen von Angehörigen, die voneinander abweichen oder sind die Anliegen ähnlicher Natur? Manche sehen bei ihrem Angehörigen mit Behinderung das Potenzial, selbstständiger werden zu können. Es gilt dann immer die Balance zu finden, was dem Menschen mit Einschränkung zuzumuten ist und wie weit man ausprobieren darf. Zu einem selbstbestimmten Leben gehört natürlich auch, dass man scheitern kann. Doch wieviel Fehlschläge darf man einem Menschen mit Behinderung auferlegen? Als Mutter setze ich persönlich eher darauf, Bewährtes anzuerkennen und auf diesem Bewährten aufzubauen, um die Entwicklung der nahestehenden Person zu fördern. Wo bringt sich der Angehörigen- und Betreuerbeirat mit seinen 17 Vertretern politisch noch ein? Wir haben zum Beispiel jahrelang darauf hingewirkt, dass wir in den Landkreisen eine Stimme bekommen. Die Zusammenarbeit mit dem Landratsamt Konstanz hat sich nun dahin entwickelt, dass wir etwa bei der Fortschreibung der Eingliederungshilfe im Landkreis Konstanz eingebunden sind und Vorschläge unterbreiten konnten. Derzeit sind auf dieser Ebene vor allem auch neue Wohnprojekte Thema. Aus unserem Gremium ist Monika Schumacher wichtiges Bindeglied zur Stadt Stuttgart sowie Christoph Leopold für den Landkreis Ravensburg. Für die Versorgung von Menschen mit Behinderung im Krankenhaus haben wir einen Arbeitskreis gegründet. Daraus sind Fortbildungen für Krankenpflegepersonal für den Umgang mit Menschen mit Behinderung entstanden. Es handelt sich um eine Kooperation zwischen der Caritas Singen und dem Hegauklinikum Singen. Was hat sich in den vergangenen vier Jahrzehnten – seit der Geburt Ihrer Tochter – deutlich zum Besseren verändert? Es herrscht eine viel größere Offenheit in der Öffentlichkeit. Man kann viel freier über Behinderung sprechen. Eine große Errungenschaft ist, dass Menschen mit Behinderung heute selbstständiger und selbstbestimmter wohnen können, und dass sie die Wahl zwischen vielen verschiedenen Arbeitsmöglichkeiten haben. Das neue Bundesteilhabegesetz: Ist es aus Ihrer Sicht gut ausgearbeitet? Es wird sicher noch Veränderungen geben müssen. Bevor das Gesetz in der Praxis in Form gebracht ist, ist dies für uns derzeit aber noch schwierig zu beurteilen. Wir im Gremium sind daher noch zurückhaltend bis wir entsprechende Infos von Fachleuten bekommen. Kontakt: Angehörigen- und Betreuerbeirat Brigitte Sauter-Servaes Telefon 07731 22422 b.sauterservaes@web.de Die Landesheimmitwirkungsverordnung (LHeim- MitVO) von 2010 regelt in Baden-Württemberg die Vertretung der Interessen von Heimbewohnern gegenüber dem Einrichtungsträger, um deren Selbstständigkeit und Selbstbestimmung weiter zu stärken. In Einrichtungen der Behindertenhilfe soll lt. § 13 ein Angehörigen- und Betreuerbeirat gebildet werden, der dem Heimbeirat beratend und unterstützend zur Seite gestellt wird. In der Liebenau Teilhabe gab es dieses Gremium lange vor dieser gesetzlichen Festlegung. Termin: Bundesweites Jahrestreffen der Angehörigen von Menschen mit Behinderung: 3. März 2018, Fulda

13 Die sechsjährige Clara kommt regelmäßig in die Frühförderung. Ihre Mutter Sabine Meßmer (hinten) ist inzwischen nur noch sporadisch bei den Therapien dabei. Foto: Oschwald Frühförderung unterstützt die individuelle Entwicklung Man ist nicht alleingelassen MARKDORF – Werden Kleinkinder oder Kinder mit Behinderung früh und gezielt gefördert, dient das ihrer individuellen Entwicklung. Die Frühförderstelle der Stiftung Liebenau in Markdorf ist dafür eine wichtige Anlaufstelle. Einzelne Kärtchen mit Zeichnungen liegen vor Clara auf dem Tisch. Die Sechsjährige hat die Aufgabe, sie aufzudecken und die entsprechenden Laute nachzumachen: Sie knurrt wie der Hund und summt wie die Biene. Verwundert fragt sie, warum Willi auf zwei Kärtchen zu sehen ist, Biene Maja aber nur einmal. Selbstständig zählt sie die Bienen und kommt auf drei. Logopädin Jule Schmidt fordert sie immer wieder auf, während der Übung im Spiegel vor sich zu überprüfen, dass ihre Zunge und Lippen in der richtigen Position sind. Solche Übungen fördern Claras Aussprache. Ihr schwächerer Muskeltonus hindert das aufgeweckte Mädchen mit Down-Syndrom mitunter daran, deutlich zu sprechen. Mit neun Monaten kam sie das erste Mal in die Frühförderstelle Markdorf. Seither kommt sie einmal die Woche. Derzeit wird jeweils eine Einheit Heilpädagogik und Logopädie kombiniert. „Ohne die Förderung wäre der Abstand ihrer Entwicklung zu den anderen Kindern größer“, ist Mutter Sabine Meßmer überzeugt. Der gezielte Umgang mit Puzzleteilen, Pinsel oder Schere hilft Clara, auch spielerisch ihre Feinmotorik zu stärken. Hilfreich war für Claras Entwicklung auch die Bobath-Therapie in Weingarten, die sie schon mit wenigen Monaten erhielt. In der speziellen Physiotherapie werden individuelle und alltagsbezogene Aktivitäten trainiert. Therapiestunden und der Kontakt zu den Fachkräften waren für Sabine Meßmer immer wichtig. „Positiv ist, dass man nicht allein ist. Es gibt mir Sicherheit“, meint sie. Das war nicht von Anfang an so. Sabine Meßmer fühlte sich nach der Geburt ihrer Tochter „aus der Bahn geworfen“. Die Informationen aus Büchern haben ihr nicht die richtigen Antworten geliefert. Nach einem halben Jahr hat sie für sich erkannt, dass sie ihren eigenen Weg finden muss. Diese Erkenntnis löste ihre innere Anspannung und ließ sie aktiv werden. Die Unterstützung ihres Mannes war ihr dabei immer gewiss. Hilfreich war aber für Sabine Meßmer auch die Down-Syndrom-Selbsthilfegruppe und ist der von der Frühförderstelle regelmäßig organisierte Gesprächskreis, wo sie auf Verständnis und Mitgefühl stößt. Sie findet es gut, Probleme in die Runde geben zu können, selbst wenn daraus keine Lösungen resultieren. Voller Liebe spricht sie von ihrer Tochter als einem besonderen Kind. „Die Lebensqualität der Familie ist groß. Durch Clara wurde der Alltag entschleunigt und der Fokus automatisch auf das gelenkt, was wirklich wichtig ist. Das lässt mit Demut aber auch mit Dankbarkeit auf das Leben blicken, zumal die Freude nach jedem Entwicklungsschritt riesig ist.“ Mit Clara sei es außerdem oft lustig. Darüberhinaus besitze sie sehr viel Einfühlungsvermögen und Sensibilität. Sie habe ein auffallend gutes Gedächtnis und konnte schon mit drei Jahren 20 Lieder mit je zwei Strophen auswendig. Auch eine Einkaufsliste benötigt Sabine Meßmer nicht, wenn Clara sie begleitet. „Ihr Potenzial ist sehr beeindruckend.“ Clara hat einen vierjährigen Bruder. „Ein Kind mit Down-Syndrom ist nicht unbedingt anstrengender als ein anderes Kind“, weiß Sabine Meßmer aus eigener Erfahrung. Dennoch bleibt für die Familie stets abzuwägen, wie weit die Förderung geht und ab wann es für Clara zur Überforderung wird. Was der ganzen Familie eine hohe Sensibilität abverlangt. Anne Oschwald

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