Mediathek der Stiftung Liebenau
Aufrufe
vor 2 Jahren

Menschenwürde und Selbstbestimmung

  • Text
  • Wwwstiftungliebenaude
  • Ethikkomission
  • Anspruch
  • Ethische
  • Ausdruck
  • Eigenwert
  • Ethischen
  • Moralische
  • Mensch
  • Selbstbestimmung
  • Frau
  • Menschen

man auch sagen – vom

man auch sagen – vom bloßen Menschsein des Menschen betreffen. 23 Auf diese Weise moralisch betroffen zu sein, bedeutet dann, den Achtungsanspruch von Menschen anzuerkennen. Alle diese ethischen Argumentationen zeigen, dass der Würdewert keine Selbsteinbildung, kein zufälliges soziales Produkt und auch keine bloße Illusion ist, wie man in der aktuellen Würdedebatte immer wieder behauptet hat. Das Ethikkomitee ist vielmehr der Auffassung, dass es keinen „Abschied von der Menschenwürde“ (vgl. Kap. 2.2.) gibt. Eine absolute Menschenwürde lässt sich philosophisch nach wie vor verteidigen. 24 4.3. Die Bedeutung der Scham für die Menschenwürde Die Würde des Menschen zeigt sich nicht nur in der Empörung (vgl. Kap. 4.2.), sondern auch in der Empfindung von Scham. Was ist Scham? Scham ist universal. Jeder Mensch kennt zumindest das Gefühl der Peinlichkeit oder gar die Empfindung, vor Scham im Erdboden versinken zu wollen. Scham kann sich in vielen zwischenmenschlichen Kontexten einstellen. Nach Stephan Marks hängt Scham mit Grundbedürfnissen des Menschen zusammen. Sie verweist auf das Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Anerkennung, nach Schutz beziehungsweise Sicherheit und nach Integrität. So empfindet zum Beispiel eine Person Anpassungsscham, wenn sie (gesellschaftliche) Erwartungen und Normen nicht erfüllt hat oder dauerhaft nicht erfüllen kann und deshalb ausgelacht oder ausgegrenzt wird. Die Intimitätsscham fühlt eine Person, wenn etwas von ihr in die Öffentlichkeit getragen wird, was privat oder intim ist. Die Gewissensscham stellt sich dann ein, wenn jemand gegen eigene Werte und Überzeugungen gehandelt hat (zum Beispiel gelogen hat, statt die Wahr- heit zu sagen). Die Scham ist die „Hüterin der Menschenwürde“ 25 , weil sie davor bewahrt, menschliche Grundbedürfnisse nach Beziehung und Anerkennung, nach Schutz und Intimität sowie nach Integrität nachhaltig zu verletzen. In dieser Hinsicht ist sie ein ähnliches Warnzeichen wie die Empörung. Die gesunde Scham besitzt neben ihrer Schutzfunktion auch eine Lehrfunktion. Sie ist nicht nur Hüterin, sondern auch Lehrmeisterin der Menschenwürde. Was einem Menschen einmal peinlich war, das macht er so schnell nicht wieder. Wo Scham pathologisch – also übersteigert auftritt –, oder wo Schamlosigkeit herrscht, steht die Menschenwürde in Frage. Bewahrung der Menschenwürde bedeutet, Schamgrenzen zu beachten und unnötige Scham zu ersparen, also Menschen nicht zu beschämen. 23 Natürlich gibt es viele Konfliktsituationen, in denen Menschen sich vom Achtungsanspruch, den die Würde stellt, nicht betreffen lassen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Möglich ist es, dass in ethischen Bildungsprozessen das ethische Wissen um die eigene Würde und um die Würde aller anderer Menschen zu wenig ausgebildet wurde. Dort, wo ein Würdewissen existiert, kann es durch manipulative Umerziehungsmethoden wieder zurückgedrängt werden. Nicht möglich dürfte es aber sein, das Wissen um die Würde von Menschen gänzlich zu tilgen. Die Mörder dieser Welt sind sich durchaus bewusst – das zeigen zum Beispiel Biographien nationalsozialistischer Täter –, dass ihr Tun gegen den unantastbaren Würdewert verstößt (vgl. dazu zum Beispiel Rudolf Höß: Kommandant in Auschwitz, Autobiographische Aufzeichnungen, hrsg. v. Martin Broszat, München 182002). 24 Noch ausführlicher dazu: Herbert Rommel: Globale Verteidigung der Menschenwürde (Fn. 4), S. 56–83. 25 Stephan Marks: Die Würde des Menschen ist verletzlich, Düsseldorf 2019, S. 10. 18 19

Hier finden Sie Impulse für den Alltag

Anstifter