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Kriterien für Lohngerechtigkeit

war schon im Juli 2006

war schon im Juli 2006 vom Vorstand beauftragt worden, Kriterien für Lohngerechtigkeit zu entwickeln. In etwa zwölf Sitzungen, d.h. über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr, hat sie sich mit diesem Thema beschäftigt. Dabei war sie sich der Schwierigkeit der Frage, was einen Lohn gerecht mache, von Anfang an bewusst. Sie hat Informationen gesammelt, Experten angehört und kontroverse Positionen diskutiert, bevor sie im April 2008 eine Stellungnahme verabschiedet hat. Um ihre Kompetenz zu erweitern, hat sie sich für die Dauer der Beratung dieses Themenpunkts um zwei Mitarbeitervertreter erweitert. Der so entstandene Text war zunächst als Stellungnahme für die Diskussion innerhalb der Stiftung gedacht. Die verpflichtende Anwendung der AVR durch Mitglieder des Caritasverbands hatte inzwischen jedoch über die Stiftung hinaus Fragen aufgeworfen. Da sich durch das Ende des Rechtsstreits auch für die Stiftung neue Folgen ergaben, musste der Text im Herbst 2010 nochmals überarbeitet werden. Er will die Motive, Zielsetzungen und Verfahren der Stiftung bei der Einführung neuer Entgeltsysteme verdeutlichen und sie angesichts der inzwischen erfolgten Weiterentwicklung der AVR unter dem Kriterium der Gerechtigkeit betrachten. Damit bietet er eine Grundlage der Information und des Nachdenkens für die Mitarbeiter und ihre Vertreter, für die Geschäftsführungen und den Vorstand, jedoch darüber hinaus für alle, die sich für diesen Vorgang interessieren. Angesichts der andauernden Veränderungen im Bereich der Entgeltsysteme kirchlicher Sozialunternehmen ist der Text freilich eher eine Momentaufnahme denn eine tiefer greifende Betrachtung der Problematik. Gerechtigkeit ist eine der ältesten Leitvorstellungen im Zusammenleben der Menschen. Ob im Rechtswesen, ob in der Politik, ob im wirtschaftlichen Handeln – stets ist es schwierig, zu begründen und gar sich darüber zu verständigen, wann Maßnahmen wie eine Tarifvereinbarung oder eine Verlängerung der Arbeitszeit als gerecht gelten können. Im wirtschaftlichen Bereich lässt sich diese Schwierigkeit beispielhaft an der Frage des „gerechten Lohns“ festmachen. In einer Epoche leerer öffentlicher Kassen, kon- 6

junktureller Unsicherheit und demografischen Wandels ergeben sich für den Bereich der sozialen Sicherungssysteme (Gesundheitswesen, Altenhilfe, Jugendhilfe, Behindertenhilfe u. a. m.) schwierigere Rahmenbedingungen, die auch die kirchlichen Sozialunternehmen vor Finanzierungsprobleme stellen. Für sie stellt sich dabei die Frage der Lohngerechtigkeit in bisher nicht gekannter Dringlichkeit. Dass dies nicht nur eine Liebenauer Problematik ist, zeigt die Tatsache, dass fast alle Verbände der freien Wohlfahrtspflege in den vergangenen Jahren ihre Entgeltregelungen reformiert haben, auch Diakonie und Caritasverband. Gelegentlich kann man hören, die Frage nach der Lohngerechtigkeit lasse sich gar nicht rational stellen. Ob nämlich ein Lohn gerecht sei, werde nur vom subjektiven Empfinden des Einzelnen her entschieden. Die Ethikkommission konnte dieser Position nicht folgen. Da die Schwierigkeit, die Gerechtigkeit eines Verhaltens oder eines Systems glasklar zu „beweisen“, auch bei anderen Grundbegriffen der Ethik begegnet (z.B. bei Fragen wie: Was ist Autonomie? Was ist Freiheit? Was ist Glück?), darf man nicht vorschnell schließen, es gebe – rational betrachtet – keine Lohngerechtigkeit bzw. diese sei nur eine Sache des Gefühls. Vielmehr muss eine der Ethik angemessene Argumentationsweise bemüht werden, um zumindest Wege der Annäherung an einen möglichst gerechten Lohn zu finden: Der folgende Text versucht dies in vier Kapiteln. Kapitel 1 richtet den Blick auf die gesellschaftlichen und politischen Zusammenhänge, die dazu zwingen, Lohn- und Entgelttarife im Bereich der sozialen Sicherungssysteme zu überdenken. Kapitel 2 stellt unterschiedliche Lösungsversuche vor. Den Hintergrund bildet das herkömmliche Vergütungssystem der katholischen Wohlfahrtspflege, die Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) des Deutschen Caritasverbandes (2.1). Als Versuch einer Flexibilisierung dieses Systems werden die seit 1999 neu gegründeten Gesellschaften im Liebenauer Stiftungsverbund mit ihren Lohn- und Entgeltsystemen vorgestellt (2.2). In den Jahren 2005 und danach kam es zu einer Reform der Vergütungsregelungen des DCV, zu neuen Tarifpolitischen Leitlinien und zu den „AVR neu“ (2.3). Zur Vervollständigung des Bildes müssen die Eckpunkte einer kollektivrechtli- 7

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