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Kriterien für Lohngerechtigkeit

Im Unterschied zu den

Im Unterschied zu den Lohn- und Entgeltsystemen in den Liebenauer neuen Gesellschaften (vgl. 2.2) kommen die Verträge nach TVöD durch Tarifverhandlungen zustande (vgl. 3.3). Sie erfüllen damit ein wesentliches Kriterium für die Ermittlung eines gerechten Lohnes: den Prozess eines freien Vertrags, der durch die Kollektivierung von Verhandlungspartnern erreicht wird und damit eine gewisse Symmetrie der Machtbalance mit sich bringt. Auch die „AVR neu“ des Deutschen Caritasverbandes genügen, wie in Kapitel 4.3 dargelegt, diesem Kriterium unter verschiedenen Aspekten nicht. Schluss: Abwägung und Empfehlungen Die Stiftung Liebenau orientiert sich am christlichen Verständnis des Menschseins und am Ethos des Eintretens für Menschen, die der Hilfe bedürfen. Zu einer solchen Orientierung „gehört vor allem der Begriff der Gerechtigkeit. Gerechtigkeit ist ein Schlüsselbegriff der biblischen Überlieferung, der alles umschließt, was eine heile Existenz des Menschen ausmacht“ 10 . Aus diesem Grund dachte die Ethikkommission im Auftrag des Vorstandes über Kriterien für Lohngerechtigkeit in der Stiftung Liebenau nach. Das Bemühen um Lohngerechtigkeit hängt einerseits von angemessenen Tarifen ab, geht aber zugleich weit darüber hinaus. Annäherung an gerechte Löhne setzt voraus, dass die Märkte, an denen die Preise für Entgelte ausgehandelt werden, funktionieren. Die Marktmechanismen wiederum hängen stark davon ab, welche Leitidee des Sozialstaats von der Politik umgesetzt wird. Es ist also erforderlich, sich für mehr Gerechtigkeit im Rahmen des politischen Willensbildungsprozesses einzusetzen, indem der Öffentlichkeit die schwierigen Rahmenbedingungen der Unterstützung von pfle- 36 10 Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit. Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland. Hannover / Bonn 1997, S. 108.

gebedürftigen, kranken und behinderten Menschen bewusst gemacht werden. Neben diese „Außendimension“ der Frage nach der Lohngerechtigkeit tritt die „Binnendimension“, deren Gegenstand die Kriterien und Verfahren einer möglichst gerechten Lohnfindung innerhalb des Unternehmens sind. Bei den Kriterien ist zunächst das Unternehmen als Ganzes in den Blick zu nehmen. Seinen Zweck, seinen Bestand, seine Handlungsfähigkeit und die in ihm vorhandenen Arbeitsplätze zu sichern, hat hohen Rang. Ebenso ist freilich die Angemessenheit des Lohnes im Blick auf den einzelnen Mitarbeiter abzuwägen: Qualifikation, Leistung, Gleichbehandlung und Sicherung des Lebensunterhalts sind hierbei vorrangige Kriterien. Daneben tritt in der Binnenperspektive die Notwendigkeit gerechter Verfahren, die im Aushandlungsmodell zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ihren Niederschlag finden muss. Mit dem so genannten „Dritten Weg“ haben die verfassten Kirchen in Deutschland für den überbetrieblichen Bereich ein eigenständiges kollektives Arbeitsrecht geschaffen, das die Grundlagen des Tarifsystems abweichend vom außerhalb der Kirche geltenden Tarifvertragsrecht regelt. Anstelle einer einzelvertraglichen Setzung von Arbeitsrechtsregelungen („Erster Weg“) oder einer Übernahme des Tarifvertragssystems („Zweiter Weg“) beinhaltet der „Dritte Weg”, dass die Grundbedingungen des Arbeitsverhältnisses in allgemeinen Richtlinien oder Ordnungen festgelegt werden, deren Erstellung kircheninternen Gremien obliegt, die paritätisch aus gewählten und weisungsungebundenen Vertretern der „Dienstnehmer“ (Mitarbeiter) und Vertretern der „Dienstgeber“ (Arbeitgeber) besetzt sind. Damit verbunden sind eine Einschränkung des Arbeitskampfes, die Bindung der Dienstgeberseite an kirchenamtliche Entscheidungen, ein Differenzierungsverbot zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern der „Tarifvertragsparteien“ und das Verbot der Vereinbarung günstigerer Bedingungen. Die Dienstgeberseite ist kirchenrechtlich auf das Gebot der Lohngerechtigkeit verpflichtet. In der ethischen Würdigung der drei möglichen Wege von Lohnfindungsverfahren ergibt sich als Frage, ob es nicht angemessener wäre, den so genannten „Dritten Weg“ 37

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