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Kriterien für Lohngerechtigkeit

Ansprüchen. So fordern

Ansprüchen. So fordern die TL zwar, einen gerechten Lohn (nur) über kollektivrechtlich begründete Verfahren zu realisieren. Diese Aufgabe sollen die Arbeitsrechtlichen Kommissionen übernehmen. Deren Praxis zeigte aber, dass sie weitgehend die Tarifregelungen aus dem öffentlichen Dienst übernommen haben. Sie überlassen bis heute damit die Aushandlung der Tarifkonflikte stellvertretend den öffentlichen Tarifparteien. Damit handeln die kirchlichen Arbeitgeber letztlich nicht autonom und widersprechen ihrer Forderung nach einem innerstaatlichen institutionellen Selbstbestimmungsrecht. Stattdessen „leihen“ sie sich bei Dritten das Kollektivrecht aus, indem sie sich „an geltenden Tarifen“ (früher BAT, heute TVöD) ausrichten. Ganz leugnen wollen die TL einen Interessengegensatz in den eigenen Unternehmen allerdings auch nicht. Deshalb soll ein „effektives außergerichtliches Streitschlichtungsverfahren“ entwickelt werden. Auch hier ist zu fragen, ob nicht aufgrund des kanonischen Rechts mit dem Bischof als kirchenrechtlicher Letztinstanz durch die Hintertür der „Erste Weg“ Einzug hält. Fraglich ist dieses geplante Instrument auch, weil es über keine rechtlichen Durchsetzungsmöglichkeiten verfügt. Kritisch anzufragen ist, weshalb staatliche Arbeitsgerichte ausgeklammert werden sollen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass das staatliche Betriebsverfassungsgesetz dem Betriebsrat ein wesentlich mächtigeres Instrument zum Schutze der Mitarbeiterinteressen an die Hand gibt und damit ein Machtgleichgewicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer herstellt. 4.3.3 Schwerfälligkeit der „Arbeitsrechtlichen Kommissionen“ Lohngerechtigkeit soll nun seit 2005, nachdem die Orientierung am BAT innerkirchlich keinen Bestand mehr hatte, durch „Arbeitsrechtliche Kommissionen“ gewährleistet werden. Nachdem im staatlichen Bereich der TVöD eingeführt wurde, versucht der DCV, aktiv eigenes Arbeitsrecht zu gestalten. Dazu wurde – wie oben erwähnt – eine eigene „Ordnung der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes e.V.“ geschaffen. In dieser wird festgelegt, dass es eine Bundeskommission und mehrere Regionalkommissionen mit je eigenen Kompetenzen gibt. Die Kommissionen sind 32

weiterhin paritätisch besetzt, brauchen allerdings eine Dreiviertelmehrheit, um tarifrechtliche Beschlüsse zu fassen. Auch wurden Möglichkeiten geschaffen, in Notfällen Vergütungen flexibler gestalten zu können, um die Existenz caritativer Unternehmen nicht zu gefährden. In der Praxis erweisen sich diese Kommissionen jedoch als sehr schwerfällig. Es zeichnen sich klare Interessengegensätze ab, zumal sich inzwischen Diskussionen ergeben haben, möglicherweise einen Unternehmensverband zu gründen (Arbeitsgemeinschaft caritativer Unternehmen, AcU). Auch die behauptete Parität erweist sich faktisch als Illusion, da die Caritas-Unternehmervertreter in den entsprechenden Gremien erheblichen Einfluss haben und die Spielregeln (z.B. AK-Ordnungen) in ihrem Sinne ändern können, wie dies schon in den Jahren 2004 bis 2007 geschah 5 . 4.3.4. Schwachpunkt „Kirchliche Dienstgemeinschaft“ Ein weiterer Schwachpunkt ist der Schlüsselbegriff des „Dritten Weges“, die „Dienstgemeinschaft“. Seine Verteidiger (z.B. der Sozialethiker Anton Rauscher SJ und der Kirchenrechtler Reinhard Richardi) sehen in ihm eine theologische und kirchenrechtliche Leitnorm, die eine unbedingte Geltung beanspruchen darf. Eine eingehende Analyse zeigt aber, dass die „Kirchliche Dienstgemeinschaft“ keiner kirchlichen Tradition entstammt und sich auch nicht biblisch begründen lässt 6 . In ihr werden in unzulässiger Weise religiöse und arbeitsrechtliche Dimensionen vermischt. Historisch gesehen entstammt der Begriff der Dienstgemeinschaft vielmehr dem nationalsozialistisch gefärbten, ständestaatlichen Dienstrecht, das in den Jahren nach 1930 in das Arbeitsrecht der Caritas Eingang gefunden hat. Nach dem Krieg sollte die Rede von der Dienstgemeinschaft dazu dienen, die Sonderstellung der Kirchen, der Diakonie und der Caritas im Arbeitsrecht zu legitimieren, wie sie etwa das Bundesverfassungsge- 5 6 Vgl. Lührs, Hermann: Die Zukunft der Arbeitsrechtlichen Kommissionen. Arbeitsbeziehungen in den Kirchen und ihren Wohlfahrtsverbänden Diakonie und Caritas zwischen Kontinuität, Wandel und Umbruch. Nomos- Verlag, Baden-Baden 2010, S. 194-200. Lührs, Hermann: a.a.O., S. 115 ff. mit Belegen aus theologischen Standardwerken. 33

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