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Auf Kurs 02/2018

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REGIONALITÄT Besuch bei

REGIONALITÄT Besuch bei den BBW-Azubis im Arbeitsintegrationsprojekt (AIP) im Allgäu Ausbildung in den Regalschluchten des AIP Mittendrin im Gewerbegebiet Geiselharz-Schauwies zwischen Amtzell und Wangen im Allgäu liegt das Arbeitsintegrationsprojekt (AIP) der Stiftung Liebenau, das im vergangenen Jahr sein zehnjähriges Bestehen feierte. Hier finden nicht nur Werkstatt-Beschäftigte der Liebenau Teilhabe einen Arbeitsplatz. Das moderne Hochregallager des AIP ist auch Ausbildungsstätte für angehende Fachkräfte aus dem Berufsbildungswerk (BBW). „Ich fühle mich beim Kommissionieren sehr wohl“: Eric E., angehender Fachlagerist aus dem BBW, bearbeitet im Hochregallager des AIP einen Versandauftrag. Foto: Klaus Kartons, Paletten, Wägen und Container, soweit das Auge reicht. Fast zehn Meter hoch strecken sich die mächtigen Regale zur Hallendecke hin. Und alles lagert an seinem richtigen Platz, auch im langen Gang zwischen den Regalreihen Nummer sieben und acht. 146-A steht hier auf einem der roten Aufkleber in Augenhöhe. 146-A steht auch auf dem Zettel, den Eric E. in der Hand hält. Eric macht im BBW eine Ausbildung zum Fachlageristen, ist gerade im zweiten von drei Lehrjahren. Er ist einer von derzeit 20 Azubis, die hier im Hochregallager des AIP ihren späteren Job von der Pike auf lernen. Und das unter absoluten Praxisbedingungen. Vorteil durch echte Aufträge „Unser Ansatz ist es, hier echte Aufträge zu bearbeiten“, erklärt Isabella Burgey-Meinel, Leiterin Standorte Allgäu der Liebenauer Arbeitswelten. Das heißt für Eric und seine Kollegen: Sie kümmern sich um echte Logistik-Jobs für echte Firmen. Hauptauftraggeber ist die Colorus GmbH, ein Unternehmen für Malerbedarf, das seine Produkte im AIP lagert und von dort aus die Belieferung seiner Kunden abwickelt. Das Kommissionieren und Verpacken dieser Sendungen bestimmt den Arbeitsalltag der BBW-Azubis. Und damit haben sie alle Hände voll zu tun: „Pro Woche gehen 800 bis 1.000 Pakete raus“, berichtet Ausbilderin Ursula Büchele. Um die 2.000 Artikel der Firma sind hier im AIP auf Lager – vom einfachen Pinsel bis zur hochwertigen Spezialwalze. Kommissionieren und Verpacken Zurück zum Regal 146-A. Hier ist das Produkt einsortiert, das Eric mit auf seiner Liste stehen hat: Flachpinsel. 480 Stück sind laut Bestellschein gefragt. Und in einem Karton sind jeweils zwölf Exemplare abgepackt. Ein bisschen Kopfrechnen gehöre dazu, erklärt Eric, während er die Artikel abzählt und anschließend die Position auf dem Zettel abhakt. „Ein guter Lagerist hat immer einen Kugelschreiber dabei“, schmunzelt er und schiebt den Wagen mit der fertig zusammengestellten Bestellung in den Nebenraum zur Kontrolle. Hier steht schon ein Colorus-Mitarbeiter, der per Scanner die Lieferung checkt und grünes Licht gibt: Alles in Ordnung! Weiter geht’s. Nächste Station, nur wenige Meter weiter: die Verpackung. Ab in den Post-Container Es ist kurz nach der Mittagspause, und noch liegt hier ein zentimeterhoher Stapel mit Lieferscheinen in der To-do-Ablage, mit dabei auch der eben von Eric kommissionierte Auftrag. „Das schaffen wir bis zum Feierabend“, bleibt Ursula Büchele gelassen, während BBW-Azubi Ahmet S. gerade eine weitere Sendung fertig macht. „Die Azubis entscheiden selbst, welches Kartonformat am besten passt“, sagt die Ausbilderin. Verpacken, Adressaufkleber drauf und ab in die große Box für den Paketzulieferer. „Fast wie ein Tetris-Spiel“, lacht Büchele, müssen die unterschiedlich großen Päckchen und Pakete doch möglichst ohne große Lücken und rutschsicher in dem Container gesta- 6 | Auf Kurs 2-2018

pelt werden. Auch das gehört zum Fachlageristen-Job dazu. Immer etwas zu tun Solche Echtaufträge sind ein großer Pluspunkt für eine gute Ausbildung und eine optimale Vorbereitung auf den späteren Beruf. Die Jugendlichen erfahren schon jetzt, auf was es in ihrem Job ankommt, sie bekommen bei Fehlern umgehend Feedback, und sie werden schon mal mit der einen oder anderen Stresssituation konfrontiert. „Auch damit muss man umgehen können“, sagt AIP-Leiterin Isabella Burgey-Meinel. Und durch die feste Kooperation mit Colorus gibt es stets etwas zu tun: „Wir haben hier immer Arbeit und kaum Leerzeiten“, sagt Ausbilderin Büchele. Wichtig: der Gabelstaplerschein Während der 19-jährige Ahmet und seine Kollegen ein Paket nach dem anderen schnüren, sind die anderen Azubis im Hochregallager noch mit dem Heraussuchen der Ware beschäftigt. Aber wo stecken bloß die Gabelstapler? „Wenn kommissioniert wird, müssen die Gänge freibleiben“, erklärt Isabella Burgey-Meinel und zeigt auf das Schild mit den offiziellen Staplerverkehrszeiten. Auch hier gibt es klare Regeln. Erst in einer halben Stunde sind die Fahrzeuge wieder im Einsatz. Um diese bedienen zu dürfen, müssen die Azubis erst einen Gabelstaplerführerschein machen. Eric hat wie die meisten der Azubis diesen „Fahrausweis für Flurförderzeuge“ bereits in der Tasche. Darüber hinaus bietet das BBW seinen Teilnehmern auch die Möglichkeit, im Zuge ihrer Ausbildung die Erlaubnis zum Steuern eines Schubmaststaplers zu erwerben. Mit diesen hochmodernen, über Kamera und Bildschirm gesteuerten Fahrzeugen kann man Paletten auch in den höchsten Regalebenen ein- und ausladen. Sowas macht sich natürlich gut in der Bewerbungsmappe bei der Jobsuche. „Jeder, der so einen Schein hat, hat es draußen leichter“, weiß Max Sticher. Er arbeitet im AIP zwar als Lagerist in Diensten der Liebenau Teilhabe, ist aber auch regelmäßig mit den BBW- Azubis in Kontakt und hilft ihnen mit seinem Know-how. „Keine Berührungsängste“ Auch sonst ist das AIP ein Ort der Begegnungen. So arbeiten die jungen Auszubildenden mit den Werkstattbeschäftigten der Liebenau Teilhabe hier unter einem Dach. Man trifft sich in den Hallen oder in der Kantine, die auch Gästen von außerhalb offensteht. „Keine Berührungsängste“ gebe es zwischen den BBW-Azubis und den Menschen mit Behinderungen, berichtet Ursula Büchele. Man greift sich gegenseitig unter die Arme, hilft sich. Und so profitieren beide Seiten. Job mit klaren Strukturen Die klar strukturierte Arbeit im Lager, der Umgang mit Zahlen und Listen, das alles komme übrigens gerade auch Menschen mit Autismus bei der Berufswahl entgegen. Deshalb liege der Anteil dieser Jugendlichen bei den Lager-Azubis im AIP bei über 50 Prozent, berichtet Ursula Büchele. Oft genüge diesen schon ein Blick auf die Produktnamen, um zu wissen, zu welchem Regal sie müssen: „Mit der Zeit kennen unsere Autisten die Artikel inund auswendig“, sagt die Ausbilderin. Erst Ravensburg, dann AIP Ihre „Grundausbildung“ durchlaufen die angehenden Fachlageristen am Hauptsitz des Berufsbildungswerkes in Ravensburg und lernen dort in ihren ersten Monaten wichtige Basics in Sachen Arbeitssicherheit und Fachtheorie. Danach geht es ins AIP. Die Arbeitswege sind ganz unterschiedlich. Manche Azubis wohnen im Außenwohnheim des BBW im nahen Wangen. Für andere Pendler heißt es: früh aufstehen. Aber auch das sei eine gute Vorbereitung auf den späteren Berufsalltag, heißt es im AIP. Bei Eric, der in einer Ravensburger Wohngruppe des BBW lebt, klingelt morgens um zehn vor sechs der Wecker. Mit dem Bus – und einmal umsteigen – geht’s dann zum AIP. „Ich bin sehr zufrieden“ Wie es ihm dort geht? „Ich find’s hier echt toll“, sagt der 22-Jährige. Die Arbeit im Hochregallager fasziniert ihn, und auch die ganzen Logistikprozesse beim Online-Versandhandel. Was ihm bei seinem Job am meisten gefällt? „Ich fühle mich beim Kommissionieren sehr wohl, aber ab und zu Verpacken macht auch Spaß.“ Auch mit dem Drumherum im BBW – wo er auch den Berufsschulunterricht besucht – passt für ihn alles. „Ich bin schon sehr zufrieden“, sagt Eric. Und da er die Förderung, die er vom Berufsbildungswerk in der Ausbildung bekommt, auch brauche, findet er: „Gut, dass es so eine Einrichtung gibt!“ Christof Klaus Im AIP arbeiten verschiedene Tochtergesellschaften der Stiftung Liebenau unter einem Dach. Mit dabei: Max Sticher, Lagerist in Diensten der Liebenau Teilhabe. Foto: Krause Auf Kurs 2-2018 | 7

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