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Auf Kurs 02/2017

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AUSBILDUNG 4.0

AUSBILDUNG 4.0 Titelthema: Digitalisierung im Berufsbildungswerk (BBW) der Stiftung Liebenau Ausbildung 4.0 – Start in die digitale Zukunft Selbstfahrende Autos, lernende Maschinen, Künstliche Intelligenz, das Internet der Dinge, Produkte aus dem 3D-Drucker und Big Data: Die Digitalisierung wird in den kommenden Jahren und Jahrzehnten viele Lebensbereiche grundlegend verändern – insbesondere auch die Berufswelt. Welchen Platz haben Menschen mit besonderem Teilhabebedarf auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft? Und wie reagiert das Berufsbildungswerk der Stiftung Liebenau auf die Herausforderungen der digitalen Transformation? Wie gestaltet es die „Ausbildung 4.0“? Als das Ravensburger Berufsbildungswerk in den frühen 1980er Jahre seinen Ausbildungsbetrieb aufnahm, lernten dort unter anderem noch angehende Modenäherinnen ihr Handwerk. Längst ist der Textilbereich aufgrund der Entwicklungen in dieser Branche wieder aus der Berufsliste des BBW verschwunden. Dagegen feiern im Sommer 2017 die ersten Absolventen der Fachinformatik-Ausbildung ihren Abschluss. Dieses Beispiel zeigt, wie sich der Arbeitsmarkt und damit auch das Angebot des BBW in den vergangenen dreieinhalb Jahrzehnten immer wieder gewandelt haben. Doch diesmal ist der Umbruch offenbar tiefgreifender. Neue Jobs entstehen Die Ära der „Arbeit 4.0“ hat begonnen und damit womöglich die größten Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt seit vielen Jahrzehnten. Digitale Plattformen erschließen neue Märkte und Arbeitsformen, Big Data gilt als der neue Rohstoff einer digitalen Welt, und auf den Facharbeiter von morgen warten ganz neue Aufgaben und Anforderungen. Denkbar sind viele Szenarien: zum Beispiel intelligente Roboter als Arbeitskollegen der Zukunft, mit denen der Mensch interagiert Arbeiten 4.0 Der Begriff „Arbeiten 4.0“ entstand im Zusammenhang mit der sogenannten vierten industriellen Revolution, die als „Industrie 4.0“ bezeichnet wird. Dieses Schlagwort beschreibt den aktuell schon eingeleiteten Umbruch in den Firmen und Fabriken hin zu hochautomatisierten und vernetzten Produktions- und Logistikprozessen. Damit einher geht auch ein Wandel der Berufswelt – auch außerhalb des industriellen Sektors, der unter dem Schlagwort „Arbeiten 4.0“ diskutiert wird. Ausgehend von der beginnenden Industriegesellschaft des späten 18. Jahrhunderts („Arbeiten 1.0“) stehen wir nach dieser Zeitrechnung nun an der Schwelle zu neuen Arbeitsformen und -verhältnissen, die vernetzter, digitaler und flexibler sind. Eine der Herausforderungen dabei ist es, die sozialen Bedingungen und Spielregeln der künftigen Arbeitsgesellschaft in den neuen Berufswelten 4.0 so zu gestalten, dass das Leitbild einer menschengerechten Arbeit gewährleistet werden kann. Diese Vorstellung von „guter Arbeit“ greift auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in seinem jüngst veröffentlichten „Weißbuch Arbeiten 4.0“ auf. oder von denen er sogar Anweisungen erhält. Viele Routine-Tätigkeiten werden ganz automatisiert werden. Gebraucht wird der Mensch wohl nach wie vor, doch woanders als bisher. So errechnete das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit, dass die Digitalisierung zwar viele traditionelle Arbeitsplätze kosten wird – bis zum Jahr 2025 sogar rund 1,5 Millionen. Zugleich – so die Prognose – sollen aber in gleicher Zahl neue Jobs im digitalen Bereich oder bei Dienstleistungen entstehen. Doch nicht jeder wird sich umorientieren können, nicht jeder wird dem Anforderungsprofil der Arbeitswelt 4.0 entsprechen. Digitalisierung braucht Fachkräfte Wen es treffen wird? Die Verlierer auf dem Arbeitsmarkt sind schon heute die Geringqualifizierten, die überwiegend mit Routinetätigkeiten beschäftigt sind. Ihre Arbeitslosenquote – so das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) – ist in den vergangenen Jahrzehnten stark angestiegen und liegt mittlerweile rund viermal höher als jene für Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung. Und eine gute, den Anforderungen angepasste Ausbildung wird auch die Währung der Zukunft sein. Wie das BMAS in seinem „Weißbuch Arbeiten 4.0“ schreibt, „zeichnen sich größer werdende Engpässe in einzelnen Berufen und Regionen bei der Gewinnung von Fachkräften ab“. Die Digitalisierung, begleitet von anderen Treibern wie dem demografischen Wandel, wird den Mangel an Fachkräften also eher noch verstärken – von diesen aber auch mehr verlangen: Flexibilität, neue Kompetenzen, lebenslanges Lernen. Nicht jeder junge Mensch mit Beeinträchtigungen wird in dieser High- Tech-Welt mitkommen. Sterben dann die Helferberufe und die reduzierten Fachpraktiker-Berufe aus, die das BBW neben den Vollausbildungen seit jeher anbietet? „Es wird auch morgen noch jemanden geben müssen, der Ketten von Landmaschinen 4 | Auf Kurs 2-2017

epariert und sich die Finger schmutzig macht“, meint Manfred Haas, Leiter der Abteilung Bildung und Arbeit im BBW. Digitales Profil geschärft Zugleich rüstet man sich im Berufsbildungswerk in allen Bereichen für die Zukunft. In den Ausbildungswerkstätten steht modernste Technik, die die Absolventen auch im späteren Berufsleben erwartet. Fachkräfte aus Gastronomie oder Altenpflegehilfe werden ohnehin auch in Zukunft gesucht sein. Neue Berufsausbildungen wie jene im IT-Bereich haben das digitale Profil des BBW zuletzt weiter geschärft und gleichzeitig eine ganz neue Klientel in die Bildungseinrichtung gebracht: Menschen mit höherer Schulbildung und ohne Lernbehinderung, die aufgrund ihrer psychischen Probleme, aufgrund ihrer Autismus-Spektrum-Störung oder wegen ADHS das spezielle Umfeld eines Berufsbildungswerks brauchen, um eine Ausbildung abschließen zu können. Handwerk im Wandel Neues entsteht, Altes ist in Bewegung: Metall, Hochbau, Holz, Farbe, Hauswirtschaft – diese „Dauerbrenner“ unter den Ausbildungsbereichen sind auch heute im Berufsbildungswerk noch gefragt. Und doch haben sie sich inhaltlich spürbar gewandelt. Elektronische Helfer und High-Tech hielten nahezu überall Einzug in den Berufsalltag und damit auch in die Lehre (siehe Seite 6). Überhaupt sorge die Digitalisierung für „einen Paradigmenwechsel in der Ausbildung“, wie die Geschäftsführer Christian Braun und Herbert Lüdtke betonen. Das Tablet ergänzt die Tafel, selbstständiges Lernen wird gestärkt. Es gibt virtuelle Ausbildungsmodule, eine Wissensund Lernplattform ist im Aufbau (siehe Seite 8), Berichtshefte werden elektronisch geführt, Filme, Tutorials, Chat-Dienste, soziale Netzwerke und Online-Tests kommen beim Lernen zum Einsatz. „Es gibt im Zuge der Digitalisierung viel Positives und Arbeitserleichterndes, das die Motivation und Freude beim Lernen steigert“, stellt Manfred Haas fest: „Und Ausbildung darf ja auch Spaß machen.“ In der digitalen Welt zuhause Berührungsängste mit Displays und Touchscreens kennen die Jugendlichen von heute sowieso nicht. Gewöhnungsbedürftiger dürfte die Umstellung vom Analogen zum Digitalen für einige Mitarbeiter sein. Denn auch sie – von den Bildungsbegleitern über die Ausbilder bis zu den Psychologen – dokumentieren und koordinieren die Maßnahmen für ihre Teilnehmer heute digital (siehe Seite 9 und 14). Hier gelte es, Ängste und Vorbehalte abzubauen, so Manfred Haas. Für ihn ist es ein Gebot der Stunde, sich als Berufsbildungswerk zukunftsfähig aufzustellen und die Chancen der Digitalisierung für die Ausbildungsqualität zu nutzen. Christof Klaus Total digital: Fachinformatik-Ausbildung im BBW in Ravensburg. Foto: Krause Auf Kurs 2-2017 | 5

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