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Anstifter 3, 2018 der Stiftung Liebenau

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Der Anstifter ist die Hauszeitschrift der Stiftung Liebenau mit Themen aus den Bereichen Bildung, Familie, Gesundheit, Lebensräume, Pflege, Service und Teilhabe.

Schwerpunkt Neuer

Schwerpunkt Neuer Baustein zur guten Versorgung Tagesklinik für psychisch erkrankte Kinder mit geistiger Behinderung Die neuen Räume der Tagesklinik der St. Lukas-Klinik präsentieren sich hell und großzügig. Patricia Hamma, Mitarbeiterin im Pflege- und Erziehungsdienst, erläutert den Besuchern das Konzept der Eltern-Kind-Station. Wenn Kinder psychisch krank werden, brauchen sie eine besondere Fürsorge und Therapie. Ganz besonders gilt dies für Kinder und Jugendliche mit einer geistigen Behinderung oder kognitiven Einschränkung. Mit ihrer neuen psychiatrischen Tagesklinik hat die Stiftung Liebenau ihr Angebot für diese jungen Patienteninnen und Patienten um einen wichtigen Baustein ergänzt. Im dritten Stock des Klinikgebäudes der St. Lukas-Klinik sind für die Tagesklinik großzügige neue Räume entstanden: ein großer Aufenthaltsraum für Einzel- und Gruppenaktivitäten sowie mehrere Räume für therapeutische Angebote, zum Ausruhen, zum gemeinsamen Essen und für Besprechungen. Bis zu acht Kinder und Jugendliche im Alter von fünf bis etwa 15 Jahren können aufgenommen werden. Konzipiert ist die Tagesklinik für Patienten, bei denen ein vollstationärer Aufenthalt nicht erforderlich ist oder vermieden werden soll. „Wir erweitern damit die Möglichkeiten der Diagnostik und Behandlung, ohne die Kinder aus ihrem sozialen Gefüge von Familie und Freundeskreis herauszulösen“, erklärt Katharina Kraft, Chefärztin in der Kinder- und Jugendpsychiatrie an der St. Lukas-Klinik. Die Tagesklinik ist somit Teil eines ganzheitlichen und durchlässigen Systems aus ambulanter, teil- und vollstationärer Therapie. Betreut werden die jungen Patienten von den multiprofessionellen Teams der St. Lukas-Klinik. Sie kommen morgens in die Klinik und kehren am Nachmittag nach Hause zurück. Um sie durch die Fahrzeit nicht zu überfordern, richtet sich die Tagesklinik vor allem an Patienten in den Landkreisen Ravensburg und Bodenseekreis sowie in den angrenzenden Bereichen. In Oberschwaben ist diese Tagesklinik eine einzigartige Einrichtung. Die Stiftung Liebenau baut hierbei auf die guten Erfahrungen der Tagesklinik Bernsteinstraße in Stuttgart auf, an der sie beteiligt ist. (re) 18 anstifter 3 | 2018

Schwerpunkt Bei Menschen mit Behinderungen wird in der St. Lukas-Klinik die kognitive, soziale und emotionale Entwicklung gleichermaßen gefördert. SEO: Basis der Ich-Werdung Ein Schema der emotionalen Entwicklung Was bedeutet es, wenn eine 19-Jährige das Bild eines Teenie-Stars liebkost wie ein Kuscheltier? Das passt doch gar nicht zu ihr – in diesem Alter! Oder etwa doch? Und wie kommt man an eine Patientin heran, die alles verweigert und für niemanden zugänglich scheint? Mögliche Antworten stecken in diesen drei Buchstaben: SEO. Das ist die Abkürzung für ein Erklärungsmodell zur emotionalen Entwicklung. Dieses Schema hilft, das Verhalten von Menschen mit geistiger Behinderung besser zu verstehen. Fachleute aus verschiedenen europäischen Zentren bilden ein fachliches Netzwerk. Darunter auch Psychologen und Mediziner aus der St. Lukas-Klinik. Der niederländische Facharzt für Kinder-, Jugend- und Erwachsenenpsychiatrie Prof. Dr. Anton Došen hat sein „Schaal voor Emotionele Ontwickkling“ (SEO) schon vor Jahren entwickelt und damit neue Wege in der Diagnostik und Therapie von Verhaltensproblemen gewiesen. Seine Kernaussage: „Die emotionale Entwicklung ist die Basis für die Ich-Werdung.“ Dieser Grundbaustein steht für Prof. Došen sogar an erster Stelle in der Persönlichkeitsentwicklung – und in einer Wechselbeziehung zu kognitiven und sozialen Fähigkeiten und Bedürfnissen. „Bei Menschen mit geistiger Behinderung ist nicht nur die kognitive und soziale, sondern auch die emotionale Entwicklung beeinträchtigt“, so seine Erkenntnis. Vor diesem Hintergrund hat er ein Modell mit fünf Entwicklungsstufen entwickelt, die einem bestimmten Lebensalter zugeordnet sind. Dies hilft, die Persönlichkeit besser zu verstehen, die Ursache von Verhaltensproblemen zu erkennen und daraus Strategien zur Therapie zu entwickeln. Denn oft klaffen das emotionale und kognitive Entwicklungsniveau auseinander. Die Beispiele der eingangs erwähnten Patientinnen verdeutlichen dies: Sie waren aufgrund eines für sie belastenden Ereignisses vorübergehend auf den emotionalen Entwicklungsstand von dreijährigen Kindern zurückgefallen, was sich durch Verhaltensprobleme wie Aggression und Verweigerung äußerte. Die Beispiele stammen aus dem Alltag der St. Lukas-Klinik der Stiftung Liebenau. Sie hat mit als einer der Ersten in Deutschland schon im Jahr 2010 begonnen, mit SE0 zu arbeiten, und verzeichnet gute Erfolge. Statistisch messbar wird dies dadurch, dass nach einer an SEO ausgerichteten Therapie in vielen Fällen der Einsatz von Psychopharmaka verringert werden kann. Aus der wissenschaftlichen Erkenntnis haben die Fachleute der St. Lukas-Klinik einen pragmatischen Arbeitsvorschlag entwickelt und mit SEO 6 für Menschen mit geistigen Behinderungen eine weitere Stufe definiert. Sie beschreibt die „soziale Autonomie“ in einem Entwicklungsalter von 12 bis 18 Jahren. (hr) anstifter 3 | 2018 19

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