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Anstifter 2, 2021 der Stiftung Liebenau

Aus der

Aus der Praxis Corona: Stimmen aus der Pflege Mitarbeitende leiden unter derzeitiger Dauerbelastung Die Coronapandemie ist omnipräsent in der Arbeit der Stiftung Liebenau. Zwar sind mit steigender Impfquote die Infektionszahlen deutlich zurückgegangen. Doch nach wie vor besteht große Sorge vor einem erneuten Aufflammen, es gelten weiterhin strenge Hygieneregeln und Kontaktbeschränkungen. Die Langzeitbelastung macht sich überall deutlich bemerkbar, immer wieder ist die Rede von Erschöpfung bis Resignation. Einrichtungsleiter Stefan Löffler (v.l.), Wohnbereichsleitung Birgitt Weiss und Pflegefachkraft Barbara Mühlsteff über ihren Alltag. Die Dauerbelastung, unter der die Mitarbeitenden seit 15 Monaten stehen, ist enorm. Ein Blick ins Haus der Pflege St. Johann macht deutlich, was es bedeutet, die Verantwortung für ein Haus der Pflege, die Bewohnerinnen und Bewohner, die Mitarbeitende in Coronazeiten zu tragen, jeden Tag ein Haus mit Pandemie-Geschehen zu betreten und nicht zuletzt auch immer wieder mit dem Tod konfrontiert zu werden. In den Medien ist die Pflege zu Coronazeiten zwar Dauerthema. Dabei fühlen sich die Akteure aber nicht unbedingt richtig wahrgenommen. „Vieles wird geschrieben, berichtet und beschlossen, aber bei uns vor Ort sieht es anders aus“, sagt Einrichtungsleiter Stefan Löffler. „Bewohner, die erkranken und sterben. Mitarbeitende, die völlig erschöpft sind. Trauernde, verständnisvolle und weniger verständnisvolle Angehörige – und sehr viel Bürokratie.“ Als einen „riesengroßen und sehr schweren Rucksack“ erlebt er die Verantwortung, die er auch nach Feierabend nicht immer ablegen kann. Als „bedrückend“ beschreibt die Pflegefachkraft Barbara Mühlsteff die Atmosphäre: „Corona verfolgt einen in alle Ecken, in jeder Schicht, von früh bis spät. Weder im Team noch mit den Bewohnern ist ein unbefangener Umgang möglich. Da ist die Atmosphäre oft gereizt und angespannt.“ Besonders kräftezehrend waren die ersten Wochen des Jahres, als immer mehr Bewohner und Mitarbeitende erkrankten und viele Bewohner starben. Zugleich zeigte sich die große Einsatzbereitschaft der Mitarbeitenden, trotz erschwerter Bedingungen. Entgegen dem hartnäckigen Gerücht vom einsamen Sterben im Heim gab es im St. Johann immer Angebote der Sterbebegleitung, und auch Besuche von Angehörigen waren in diesem Ausnahmefall gestattet und wurden ermöglicht. Wohnbereichsleiterin Birgitt Weiss erzählt: „Das Pflegepersonal ist immer für sterbende Bewohner da und steht ihnen einfühlsam zur Seite. Durch das Betreuungsteam findet eine Sterbebegleitung statt, bei dem unter anderem Musik und Massagen mit Duftölen zum Einsatz kommen.“ Barbara Mühlsteff bestätigt das: „Ich widme mich jedem einzelnen Sterbenden. Mein Ritual ist immer Ruhe, Körperkontakt und viel Zuneigung.“ Anders als im Krankenhaus haben die Bewohner schließlich schon eine längere Zeit im Haus der Pflege verbracht, Beziehungen sind entstanden. „Man kennt die Lebensläufe, die Vorlieben und Eigenheiten, die Angehörigen, Freunde und Familie. Es sterben Menschen.“ Für die Öffentlichkeit seien Todeszahlen in den Pflegeeinrichtungen so wichtig geworden. „Wer denkt noch daran, dass hinter jeder Zahl ein Mensch lebte“, gibt Löffler zu bedenken. Die drei vermissen die Wertschätzung der Gesellschaft, und blicken mit gemischten Gefühlen in die Zukunft. Den positiven Blick haben sie dennoch nicht verloren. Einrichtungsleiter Löffler spricht über positive Erfahrungen, als er in der Pflege einsprang: „Die Begegnungen und Gespräche mit den Bewohnern waren sehr amüsant und die erstaunten Gesichter, dass der Chef selbst bei der Pflege mit anpackt.“ Und auch über den Zusammenhalt und das Aushelfen unter den Mitarbeitenden, über alle Häuser und Regionen hinweg, haben sie nur Gutes zu sagen. Alle seien eingesprungen, hätten sich wirklich „aufgeopfert“ und seien über ihre Grenzen gegangen. Löffler: „Das hat mich extrem beeindruckt.“ Eine weitere positive Erfahrung benennt Birgitt Weiss: „Bewohner haben sich uns gegenüber mehr geöffnet, weil der Kontakt zu Angehörigen eingeschränkt war. Das hat Vertrauen gefördert. Das ist sehr schön.“ (hp) 20 anstifter 21 | 2021

Aus der Praxis Stiftung Liebenau Teilhabe und Familie Mit Mut und Stärke für Gleichberechtigung „Seid mutig und stark": Unter diesem Motto verteilten die Frauenbeauftragten der Liebenauer Arbeitswelten am 8. März, dem Weltfrauentag, knallrote Stofftaschen an alle Beschäftigten der Werkstätten vor der Kantine in Liebenau. Die Taschen fanden reißenden Absatz, auch bei den männlichen Beschäftigten. Schließlich geht es nicht nur um die Rechte der Frauen, sondern um Gleichberechtigung für alle. Gestaltet wurde die Tasche von Gruppenleiterin Shiu Yie Furze ganz individuell und einzigartig für die Stiftung Liebenau. Zum ersten Mal fand dieses Jahr eine Aktion von Frauen mit Beeinträchtigungen zum Weltfrauentag statt, der offiziell von den Vereinten Nationen vor 100 Jahren eingeführt wurde. Denn auch noch 100 Jahre später ist es wichtig, die Aufmerksamkeit auf bestehende Diskriminierung und Ungleichheiten zu richten und dazu zu ermuntern, sich für Geschlechtergerechtigkeit einzusetzen. Die gewählten Frauenbeauftragten vertreten die Interessen der weiblichen Werkstattbeschäftigten gegenüber der Werkstattleitung. Dabei geht es besonders um Fragen der Gleichstellung von Frauen und Männern und den Schutz vor körperlicher, sexueller und psychischer Belästigung oder Gewalt. Ungefähr 45 Prozent der Beschäftigten in den Werkstätten der Stiftung Liebenau sind weiblich. Stiftung Liebenau Teilhabe und Familie „Kämpfer-Geschichten“ für Kicker Unerwartete Post bei allen Kickern vom FC Rosenharz. Der Absender: ihr Trainer Holger Zielonka. Die Fußballspieler mit Einschränkungen leben in verschiedenen Wohnhäusern der Stiftung Liebenau. In den Mut-mach-Paketen befand sich unter anderem ein Buch von David Kadel, das Kindern, Jugendlichen und auch Erwachsenen in schwierigen Zeiten Mut machen soll, so wie jetzt in der Pandemie. „Anfang 2020 feierte der FC Rosenharz einen seiner größten Erfolge in der Vereinsgeschichte“, schildert Trainer Zielonka aus Ravensburg. Bei der Hallenfußball-Qualifikation Baden-Württemberg Süd der Special Olympics 2020 qualifizierten sich beide Teams für das Landesfinale in Karlsruhe. Doch Freude und Euphorie waren nur von kurzer Dauer. Turniere und Spiele wurden wegen der Coronapandemie abgesagt. „Da solch ein Erfolg nicht alle Jahre vorkommt, hält die Enttäuschung der Kicker bis heute an,“ meint Zielonka. Was dazugekommen ist, sind die coronabedingten Einschränkungen, Unsicherheit und nicht selten Angst. Dem wollte der Trainer etwas entgegensetzen, fühlt er sich doch auch während der Zwangspause „seinen“ Fußballerinnen und Fußballern verantwortlich. Er schnürte Pakete unter anderem mit dem Buch „Wie man Riesen bekämpft“ von David Kadel. In dem Buch schreiben 35 Prominente. Die von Zielonka erhoffte Wirkung ließ nicht lange auf sich warten. Torwart Fabian Biber schildert etwa: „Besonders berührt hat mich die Geschichte von Heiko Herrlich. Ich finde es toll, wie er mit seiner Krankheit umgegangen ist und auf Gott vertraut hat. Ich hatte sogar Gänsehaut beim Lesen. Ich bin jetzt dankbarer, dass ich gesund bin.“ anstifter 2 | 2021 21

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